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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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Graz hat seine Prinzipien<br />

146<br />

Dabei hat Graz zur Sprache ein besonderes Verhältnis, seit jenen Zeiten, als man<br />

Sprachvirtuosen hinter den Stadtparkbäumen versteckte. Graz durfte vor Jahren eine<br />

transprovinzielle Literaturblüte in der Provinz entfalten: Im Rückblick wird immer der<br />

Zufall zur Notwendigkeit; aber manchmal ist der Zufall auch Zufall, und die Erklärung <strong>für</strong><br />

solche Phänomene besteht darin, dass man das Zufällige ausnahmsweise nicht von<br />

Anfang an umgebracht hat. Denn Graz hat seine Prinzipien: Man bringt erfolgreiche<br />

Menschen nur um, wenn man sie bemerkt, aber normalerweise ignoriert man sie. So<br />

konnten sich die Einheimischen realitätsimmunisiert die längste Zeit versichern, Graz sei<br />

die heimliche Literaturhauptstadt Österreichs, auch als der große Stadtpark-Dichter<br />

längst in Paris zu einem alten Mann und in Serbien zu einem eigenwilligen Reiseführer<br />

geworden war. Restösterreich nahm die „Heimlichkeit“ ernst und nahm Graz unernst.<br />

Doch man darf Graz auch nicht unterschätzen; einiges regt sich weiterhin: Manuskripte,<br />

Lichtungen, Sterz, Schreibkraft. Die „translokalen“ Initiativen haben unsere – in weitem<br />

Sinne verstandenen – Nachbarn wahr- und angenommen. Seitdem überschätzen die<br />

Nachbarn Graz. In diesem Jahr ist auch ein Literaturhaus zur Szene hinzugestoßen, mit<br />

einer orange-bräunlichen Nachtbar: wohl ein heimliches Literatur-Café. Aber dass Graz<br />

wieder in die Literatur vorstößt, zeigt sich daran, dass es in diesem Jahr sogar einen<br />

Krimi bekommen hat.<br />

Heimliche Jazzhauptstadt: Diese Heimlichkeit läuft weiter, öffnet sich der Folklore<br />

der Welt, wird immer vielfältiger. Heimliche Architekturhauptstadt: Immer wieder geschieht<br />

es, dass etwas – aus Nachlässigkeit – nicht verhindert wird. Und jetzt auch noch ein archi-<br />

tektonischer Paukenschlag, das Kunsthaus, ein nach langen politischen Wehen in die Welt<br />

getretenes Prachtexemplar, eine Gallerte mit Tentakeln, ein einmaliges Kunstwerk, wie<br />

man es derzeit an verschiedenen Orten baut, durch Ausstellungen allerdings eher verun-<br />

staltbar. Die Insel nicht zu vergessen, der Mur-Gag, die Eroberung des Plätschernden<br />

durch die Kaffeetrinker, die Wiederaufnahme des trennenden und einstmals stinkenden<br />

Stadtkanals in das Bewusstsein der Sonntags- und Überhauptspaziergänger. Ferner am<br />

anderen Ufer die herbstliche Akustik-Halle, mit einem namhaften Zuschuss eines Indus-<br />

triebetriebes erbaut; technisch genial, betriebswirtschaftlich fatal – was im Übrigen jeder<br />

der hintennach Staunenden von Anfang an gewusst hat.<br />

Ein dichtes Jahresprogramm ist es gewesen: Denn es kommt hinzu die Einbettung<br />

des Üblichen, des üblich Sensationellen in das hellgrün-blaue Programm – Styriarte und<br />

dergleichen. Graz ist eine musische, taktvolle Stadt, mit Sinn <strong>für</strong> Familienzugehörigkeit:<br />

Berühmtheit und Genialität würden nicht reichen, um einen Dirigentenauftritt zuzulassen,<br />

denn hierzulande lässt man sich von der Welt nichts vorschreiben. Da muss sich schon<br />

Johann in Nikolaus verkleiden. Graz hat sich im Kulturjahr sogar aufgerafft, darauf stolz<br />

und überstolz zu sein, dass die ganze Welt himmelblau sein könnte; und die Behauptung,

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