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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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Graz durfte 03 alles, alles in Grenzen und im Dienste des Fremdenverkehrs. Es soll<br />

später auch noch ein bisschen etwas dürfen: 03 alles tun, 04 alles nicht tun, oder auch<br />

noch etwas tun. Denn das Kulturhauptstadtjahr soll nachhaltig sein. Wer würde denn<br />

heute nicht „Nachhaltigkeit“ einmahnen, jenen Begriff, der einst Frieden mit der Natur<br />

bedeutet hat und jetzt meint: Wir wollen im nächsten Jahr auch noch Geld verdienen.<br />

Graz hat ein Konzept <strong>für</strong> die Nachhaltigkeit der Kulturhauptstadt: Legionen von Besu-<br />

chern bekommen ihre Kernölspritzer nicht mehr aus den Hemden. Diese Nachhaltigkeit<br />

schafft man selbst in der Pleite. Ein Hauch der Kulturhauptstadt soll jedenfalls bleiben,<br />

soll einen langen Atem leihen. Der Hauch soll spürbar bleiben im Grazer Becken, als sanf-<br />

ter, mahnender Wind, nicht als wehende Smog- und Staubfahne, die uns dauernd die<br />

Tränen in die Augen treibt. Freudentränen über dieses Jahr sollen es vielmehr bleiben, als<br />

Erinnerung an die größere Welt, deren Existenz die Einheimischen mit aufgerissenen<br />

Augen wahrgenommen haben.<br />

<strong>2003</strong>, sagt Wolfgang Lorenz in einem negativen Bestimmungsversuch, ist kein über<br />

eine Kulturstadt geschmiertes Schlagobers – wobei er wohl meint: kein Schlagobers, und<br />

nicht meint: keine Kulturstadt. <strong>2003</strong>, so sagt er auch, ist kein Ganzjahresfestival der Event-<br />

kultur; quod fuisset demonstrandum. Aber der Kulturobermacher des Jahres hat die<br />

heikle Aufgabe nicht übel gemeistert, aller anfänglichen Skepsis vieler zum Trotz; denn er<br />

hat richtig erkannt, dass sich die Stadt bereits die längste Zeit in jener wohlig-provinziellen<br />

Selbstzufriedenheit geräkelt hat, in der die stadt- und landtragenden Personen einander<br />

nur noch die hiesige Rundum-Großartigkeit wieder und wieder vorerzählt haben. Nicht,<br />

dass diese Sitte ausgestorben wäre; aber ein segensreicher Hauch von Unbehagen verbin-<br />

det sich nunmehr damit. Das Jahr war wichtig <strong>für</strong> Graz.<br />

Der stolze Turm und Babylon<br />

Graz liegt in einer Mulde, dort, wo sich im Winter jeweils die Abgase sammeln. Aber<br />

rundherum liegt die Steiermark, die grüne; und so ist es nicht verwunderlich, dass die<br />

Grazer beim Nachsinnen über potenzielle kulturhauptstädtische Großtaten rasch auf die<br />

Idee gekommen sind, jenem Turm, mit dem sie einen Blick hinaus in die Steiermark zu<br />

erhaschen pflegten, einen zweiten hinzuzufügen. Denn seit Jahren schon waren die<br />

Grazerinnen und Grazer gekränkt, weil sie mit ihrem stolzen Turm die Erfahrung des Hof-<br />

mannsthalschen Märchens machen mussten: ein Turm ohne Schatten. Man ergriff nun<br />

die Chance, sich von der Schattenneurose zu befreien. Nur Nörgler glaubten, plötzlich<br />

einen Schatten des Turms und einen Schatten des Schattens entdecken zu können; aber<br />

man tat sie mit dem Hinweis ab, sie hätten zuviel von dem hochqualitativen Welschries-<br />

ling des Landes getrunken und sähen deshalb doppelt. Zwischenzeitlich überlegte man<br />

gar, ob man das seit Jahrzehnten geplante Restaurant im Schatten des Turms fertigstellen

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