Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Auch beim zweiten Interviewtermin ist sich Frau Meier nicht wirklich über ihre Entscheidung im<br />
Klaren. Sie neigt zur SPD <strong>und</strong> würde eine rot-grüne Regierung bevorzugen, würde aber auch einer<br />
großen Koalition positiv gegenüberstehen. Bei beiden Nachwahlbefragungen gibt Frau Meier an<br />
SPD gewählt zu haben, obwohl sie 2002 zunächst die CDU präferierte. Dies hat sie auch bei der<br />
letzten Landtagswahl gemacht. Bei der Kommunal hat sie CDU gewählt.<br />
Das Interview ist durch das konzentrierte Antwortverhalten der Befragten gekennzeichnet. Frau<br />
Meier wirkt allgemein am Interview interessiert, hat sich gewissermaßen mental vorbereitet.<br />
Durch die relativ starke Ausrichtung dieses Interviews am Leitfaden fehlen stärkere biografische<br />
Elemente. Nach dem Interview „als offiziellen Teil“ berichtet sie mehr von der „privaten“ Seite, d.h.<br />
sie fragt nach dem Vorhaben <strong>und</strong> vergleicht dies mit Tätigkeiten ihrer Enkel.<br />
Auch beim zweiten Interview kommt das Interesse am Persönlichen in einer längeren Interviewsequenz<br />
zum Tragen, die von einer Frage nach dem Jugendwohnort eingeleitet wird.<br />
9.2 Kassel 2 Frau Schulz<br />
Frau Schulz wurde 1925 als Tochter eines Werkzeugschleifers <strong>und</strong> einer Hausfrau geboren. Sie<br />
bewohnt heute in einem Seniorenwohnheim eine gut-bürgerlich eingerichtete Wohnung. Sie ist<br />
sehr aktiv <strong>und</strong> selbstständig <strong>und</strong> mit einer Reihe von Aktivitäten wie der Organisation von Ausflügen<br />
<strong>und</strong> einer Bastelgruppe sowie im Heimbeirat beschäftigt. Über ihre derzeitigen Einkünfte<br />
macht sie keine Angaben. Nach der Volksschule, einer Ausbildung zur Friseurin <strong>und</strong> einer Tätigkeit<br />
als Maskenbildnerin arbeitet sie bis zur Heirat 1946 in einem Kindergarten. Ihr gleichaltriger Mann<br />
war Steuerberater <strong>und</strong> erstarb 1992. Die Ehe blieb kinderlos. Frau Schulz erwähnt eine Vielzahl<br />
von Hobbys <strong>und</strong> ehrenamtlicher Tätigkeiten. Wobei für die Befragte besonders wichtig waren die<br />
Ehrenämter in einem Reitverein, darunter auch 15 Jahre als Geschäftsführerin auf Verbandsebene,<br />
besonders wichtig waren. Frau Schulz ist Mitglied der evangelischen Kirche, besucht diese aber seit<br />
langem nicht mehr.<br />
Das politische Interesse der Befragten ist vergleichsweise gering, dennoch äußert sie zu verschiedensten<br />
Aspekten eine Meinung <strong>und</strong> nimmt an jeder Wahl teil. Frau Schulz hat schon immer CDU<br />
gewählt, sie führt dies auf den Einfluss ihres Mannes zurück. In ihrer Herkunftsfamilie gab es insbesondere<br />
während der Zeit des Nationalsozialismus Streit zwischen Anhängern der SPD <strong>und</strong> der<br />
NSDAP. Sie hat zusammen mit einer ihrer Schwestern den Ehemännern, die unterschiedlichen politischen<br />
Lagern anhingen, verboten, während regelmäßiger geselliger Abende über Politik zu sprechen.<br />
Die Diskussionen über Politik sollten die Männer in Abwesenheit der <strong>Frauen</strong> führen. Diese<br />
Einigung findet die Befragte heute noch vorteilhaft.<br />
Frau Schulz hat den Interviewtermin vergessen, dann spontan ihren Tagesplan geändert. Während<br />
des Interviews war Frau Schulz erzählfreudig <strong>und</strong> offen, dabei erzählte sie oft auch anekdotisch.<br />
Zum zweiten Interviewtermin lebt Frau Schulz bei Verwandten <strong>und</strong> ist wegen einer Demenzerkrankung<br />
nicht mehr befragbar.<br />
139