Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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flusst analysierten Eigenschaften sind einfache <strong>Geschlecht</strong>sunterschiede mit vergleichsweise geringem<br />
Grad an komplexer sozialer Einbettung wie physische Aktivität, räumliches Denken, verbale<br />
<strong>und</strong> mathematische Fähigkeiten etc. (vgl. Asendorpf 2004). Für die in komplexe soziale Zusammenhänge<br />
eingebetteten <strong>und</strong> in hohem Maße durch kulturelle Faktoren geformten Orientierungen<br />
<strong>und</strong> Verhaltensformen, die im Zusammenhang mit politischer Partizipation zu untersuchen sind,<br />
können einfache kausale Annahmen, die auf dem biologischen <strong>Geschlecht</strong> beruhen, ausgeschlossen<br />
werden (vgl. Westle 2001b). Dieser Arbeit liegt die Vorannahme zugr<strong>und</strong>e, dass wesentliche politische<br />
Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen sozial vermittelt sind 4344 .<br />
5.1 <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> politische Partizipation<br />
Die Bearbeitung der ersten zwei Themenfelder –<strong>Wahlverhalten</strong> <strong>und</strong> politische Partizipation sowie<br />
<strong>Alter</strong> – haben die Perspektive des gesellschaftlichen Wandels <strong>und</strong> der generationalen Prägung hervorgehoben.<br />
Diese Perspektive ist auch bei der Betrachtung des dritten Themenfeldes (weibliches)<br />
<strong>Geschlecht</strong> von Bedeutung, da der Wandel politischer Kultur in Hinblick auf <strong>Geschlecht</strong>erunterschiede<br />
deutliche <strong>Alter</strong>seffekte aufweist (z.B. Inglehart 1990, 1997; Inglehart & Norris 2002).<br />
In der politikwissenschaftlichen Analyse von Partizipation gibt es den Bef<strong>und</strong> geschlechtsspezifisch<br />
unterschiedlicher Einstellungs- <strong>und</strong> Verhaltensmuster. Diese <strong>Geschlecht</strong>erunterschiede, die oft als<br />
„Gender Gap“ bezeichnet werden, umfassen Ausmaß <strong>und</strong> Ausprägungen von politischen Einstellungen<br />
<strong>und</strong> Verhaltensformen wie Wahlteilnahme, Parteibindung <strong>und</strong> Ausmaß politischer Partizipation<br />
(Wirls 1986; Conover 1988; vgl. Mueller 1989).<br />
43 Das Konzept Sex wird in dieser Arbeit nicht als analytisch relevant angesehen <strong>und</strong> als Begriff nicht verwendet.<br />
Wenn von ausschließlich sozial erlernten, kulturell vermittelten <strong>und</strong> zugeschrieben Eigenschaften die<br />
Rede ist, wird der Begriff Gender verwendet. Die vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit, die dem Zusammenhang<br />
<strong>und</strong> den Verbindungen von Sex <strong>und</strong> Gender in der Soziologie <strong>und</strong> Politikwissenschaft gewidmet<br />
wird, ist unbefriedigend. Dies stellt insbesondere dann ein Problem dar, wenn zu diesem Aspekt keine expliziten<br />
Gr<strong>und</strong>annahmen gemacht werden <strong>und</strong> als Ursache für <strong>Geschlecht</strong>erunterschiede primär auf der Makroebene<br />
argumentierende Konzepte zurückgegriffen wird. Zu den verwendeten Makrokonzepten gehört das<br />
Konzept Patriarchat, dem eine doppelte Funktion als Wirkmechanismus <strong>und</strong> Machtstruktur zugeschrieben<br />
wird. Dies beinhaltet die Gefahr einer zirkulären Argumentation (vgl. Butler 1991, 33).<br />
44 In dieser Arbeit wird, wie in allen mir bekannten Arbeiten, die die Themenbereiche politische Partizipation,<br />
<strong>Alter</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> verbinden, die Frage ausgeklammert, was die Ursachen der Unterschiede in der Lebenserwartung<br />
von Männern <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> ist. Die Ausblendung ist für diese Arbeit unproblematisch, da ein empirisch<br />
beobachtbares Phänomen handelt. Für die zahlreichen Arbeiten, die Fragestellungen der sozialen Ungleichheit<br />
bearbeiten, ist die fehlende Analyse dieses Phänomens insbesondere in normativ wertenden Kontexten<br />
problematisch. Die zwei idealtypisch konträren Positionen, genetische Differenz <strong>und</strong> sozial <strong>und</strong> kulturell<br />
eingebettete geschlechterspezifische differente Lebensrisiken, haben jeweils erhebliche Implikate. Auf<br />
allgemeiner theoretischer Ebene stellen dies die Sozialwissenschaften, welche die Bedeutung des Kulturellen<br />
hervorheben, vor die Herausforderung genetische Unterschiede argumentativ mit einzubeziehen (vgl. Baltes<br />
1993, 1996). In der Dimension der <strong>Geschlecht</strong>erverhältnisse impliziert die Frage nach den Ursachen der Unterschiede<br />
der Lebenserwartung die Frage den unterschiedlichen Lebenschancen, da Lebensalter immer auch<br />
als Indikator für Überleben interpretiert werden kann (Backes & Clemens 2000, 13). Kohli (2009, 234) stellt<br />
hierzu fest: „Die soziale Ungleichheit der Lebenswartung ist massiv“. Der Einfluss der sozialen Schicht auf die<br />
geschlechtsspezifischen Unterschiede der Lebenserwartung, deutet an, dass zumindest Anteile auf soziale <strong>und</strong><br />
kulturelle Aspekte zurückzuführen ist. Eine interessante Möglichkeit der theoretischen Deutung liefert der<br />
Ansatz der Social Dominance Orientation (Sidanius & Kurzbahn 2002; Sidanius & Pratto 2004).<br />
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