Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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Ihre spontane Teilnahme am Interview begründet sie mit der Möglichkeit „sich nett unterhalten zu<br />
können“. Dies führte zu einem von abschweifenden Narrationen gekennzeichneten Interview. Frau<br />
Müller nutzt jede Möglichkeit sich von dem Thema Politik zu entfernen <strong>und</strong> begründet dies mit<br />
ihrem geringen Interesse für Politik. Dieses Interview wurde trotz dieser Schwierigkeiten verwendet,<br />
da es sich um eine Befragte handelt, die in einer anderen Situation wahrscheinlich schwer für<br />
ein Interview zu gewinnen gewesen wäre. Im Interview wird eine diffuse Parteineigung zur CDU<br />
deutlich. Bei der telefonischen Nachbefragung gibt sie an diese mit beiden Stimmen gewählt zu<br />
haben. In der zweiten Welle konnte kein Kontakt zu der Befragten hergestellt werden, da von Seiten<br />
der Pflegeeinrichtung keine Informationen über den Verbleib von Frau Müller gegeben wurden.<br />
9.9 Brandenburg 2 Frau Weber<br />
Frau Weber wurde 1933 in dem Ort der Befragung, einer ländlichen Gemeinde in Brandenburg,<br />
geboren. Nachdem ihr Vater, ein Fuhrunternehmer, 1944 vermisst gemeldet wurde, arbeitete ihre<br />
Mutter als Büroangestellte. Frau Weber ist Einzelkind <strong>und</strong> erlernte den Beruf der Lebensmittelverkäuferin,<br />
den sie auch heute noch in geringem zeitlichem Umfang zur Aufbesserung ihrer Rente von<br />
500 Euro (plus Witwenrente) in der lokalen Metzgerei ausübt. Sie heiratete 1953 einen vier Jahre<br />
älteren Ofensetzer, der 1989 verstarb. Frau Weber hat vier Kinder, die zwischen 1956 <strong>und</strong> 1970<br />
geboren wurden <strong>und</strong> heute die Berufe der Steuerfachgehilfin, Stadtplanerin, Bauleiter <strong>und</strong> Ofensetzer<br />
ausüben. Frau Weber ist in die Betreuung ihrer Enkel eingeb<strong>und</strong>en, die sich häufig in Frau Webers<br />
Elternhaus aufhalten, das sie selbständig bewohnt.<br />
Frau Weber besitzt ein ausgeprägtes politisches Interesse <strong>und</strong> Wissen. Zur Zeit der DDR war Frau<br />
Weber Mitglied der CDU, für die sie auch während der ersten Jahre der BRD auf kommunaler Ebene<br />
unter anderem in Gemeindeausschüssen aktiv war. Sie trat 1992 vor allem aufgr<strong>und</strong> lokaler Zerwürfnisse<br />
aus der CDU aus <strong>und</strong> steht der Partei nun ablehnend gegenüber. Sie beteiligt sich an allen<br />
Wahlen <strong>und</strong> wählt je nach politischer Ebene wechselnde Parteien.<br />
Frau Weber kennt das lokale politische Personal sehr gut <strong>und</strong> trifft auf lokaler Ebene ihre Entscheidung<br />
nach Einschätzung der Kompetenz <strong>und</strong> Glaubwürdigkeit. Auf der Ebene von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Land<br />
befürwortet sie zum Zeitpunkt der B<strong>und</strong>estagswahl 2002 die SPD.<br />
Frau Weber führt das Interview konzentriert <strong>und</strong> interessiert. Sie macht deutlich, dass sie sich auf<br />
das Interview nur wegen der persönlichen Vermittlung durch einen Bekannten eingelassen hat <strong>und</strong><br />
begründet dies auch mit der hohen zeitlichen Belastung durch ihre Teilzeittätigkeit <strong>und</strong> die Betreuung<br />
der Enkel. Während des Interviews hatte ich das Gefühl, ein Teil der kommunizierten Inhalte<br />
nicht wahrzunehmen, da sie indirekt vermittelt wurden (Nichtaussprechen des Gemeinten, „vielsagende<br />
Blicke“). Eine Interviewteilnahme von Weber war in der zweiten Welle wegen eines längeren<br />
Krankenhausaufenthaltes nicht zu realisieren. Frau Weber erläutert, dass sie im Moment weder für<br />
Politik noch für Interviews Zeit habe.<br />
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