Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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Nationalsozialismus. Möglicherweise gibt diese Einbindung Halt. In beiden Fällen werden frühe<br />
enge Bindungen zum späteren Mann erheblich durch den Krieg belastet werden. In beiden Fällen<br />
ist die Rückkehr des Mannes bzw. Fre<strong>und</strong>es bedroht. Erkennbar ist auch, dass in beiden Fällen über<br />
die Erlebnisse in der Kriegszeit zumindest indirekt kommuniziert wird. Bei Frau Hoffmann sind die<br />
politischen Konflikte mit dem Vater gegenwärtig <strong>und</strong> gewissermaßen durch den späten SPD-<br />
Eintritt der „verlorenen Tochter“ erfolgreich bearbeitet. Ob im heutigen Alltag von Frau Richter<br />
über den Nationalsozialismus <strong>und</strong> den Krieg geredet wird, ist im Material nicht erkennbar. An einer<br />
unscheinbaren Stelle im Interview wird deutlich, dass diese Erfahrung zumindest einen Platz in der<br />
gemeinsamen Gegenwart hat.<br />
BS1_2 (616)<br />
INTERVIEWER: Warum sehen Sie Weltspiegel?<br />
FRAU RICHTER: Oh, des mag mein Mann gerne sehen. Weil des is noch, weil da<br />
kommt ja viel auch noch von Russland (…) Wenn ein Film von Russland kommt oder<br />
Sibirien, des is schon interessant.<br />
Auch wenn das Interviewmaterial hier nicht ausreichend ist, kann davon ausgegangen werden,<br />
dass die Krisen im Zusammenhang mit dem Partner <strong>und</strong> der Elternrolle im Vergleich zu einer möglichen<br />
ideologischen Krise als Folge des Endes des Nationalsozialismus existenzieller sind.<br />
Beide haben in dieser Situation soziale Rollen <strong>und</strong> Aufgaben als Mutter bzw. Lehrling, die Selbstbewusstsein<br />
geben <strong>und</strong> möglicherweise die Rollenanteile sind, die nach dem Ende des Nationalsozialismus<br />
als Element der Kontinuität fungieren. Dies kann auch die Ursache sein, dass diese Fälle<br />
Übereinstimmungen mit älteren Befragten (EF1 Zimmermann, EF5 Schmidt) haben. Die Befragten<br />
reiften durch ihre persönlichen Erfahrungen der historischen Situation. Möglicherweise sind die<br />
besonderen Herausforderungen der Kriegs- <strong>und</strong> Nachkriegszeit ein wesentlicher Einflussfaktor,<br />
dass sich diese Gruppe eine eigene Meinung zutraut <strong>und</strong> diese gegenüber ihren Ehemännern vertreten.<br />
Auffällig ist auch die Partnerwahl in dieser Gruppe, die als eine Partnerschaft zwischen<br />
Gleichstarken zu kennzeichnen ist. Die Rollenzuweisungen von Haus- <strong>und</strong> Erwerbsarbeit erfolgen<br />
nach dem Krieg in der Regel nach den geschlechterstereotypen Mustern. Schörkens Beschreibung<br />
(1990, 147; vgl. Schelsky 1957 312 & 321), dass „die gesellschaftlichen Rollenvorstellungen … den<br />
Krieg unbeschadet überstanden. Nach wie vor war die <strong>Frauen</strong>rolle auf das Häusliche <strong>und</strong> Familiäre<br />
festgelegt, der Mann war der Ernährer <strong>und</strong> Beschützer, selbst dann, wenn die Nachkriegswirklichkeit<br />
die Verhältnisse de facto völlig herumgedreht hatte.“ stellt sich auch in diesem Typ als realistisch<br />
dar. Allerdings hat dies einen Wandel innerhalb der elterlichen Paarbeziehung <strong>und</strong> der Familie<br />
zu mehr Gleichberechtigung <strong>und</strong> einem demokratischern Umgang geführt (vgl. Almond & Verba<br />
1963, 279f.).<br />
11.1.5 Die Rolle der Ressourcen für die Veränderung von politischen Orientierungen<br />
In einigen Fällen berichten Befragte von Veränderungen ihres politischen Interesses <strong>und</strong> des Grades<br />
der Partizipation im Erwachsenenleben. Frau Richter (BS1) macht deutlich, dass sie mit der<br />
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