Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA

Betrachtet man alle Fälle im Überblick fällt auf, dass die Befragten in Ostdeutschland tendenziell
eine weniger starke Übereinstimmung in den politischen Präferenzen haben, als dies in Westdeutschland
der Fall ist. Für diese Beobachtung spricht, dass die Ostdeutschen im späteren biographischen
Verlauf eine Neuanpassung an ein politisches System und seine Parteien vornehmen
mussten. Dies kann allerdings auch ein zufälliges Ergebnis sein, was durch die Stichprobenstruktur
verursacht wurde. Frau Klein (EF3) berichtet, dass es unter ihren zwölf Geschwistern, bereits in
der DDR erhebliche politische Differenzen gegeben habe. In der Bundesrepublik halten sich die
Präferenzen für die CDU, SPD und die PDS/Linkspartei die Waage.
Es ist davon auszugehen, dass die individuellen Lebensumstände, Erfahrungen und Bewertungskriterien
in einem solchen späten Sozialisationsabschnitt ein deutlich stärkeres Gewicht haben als in
der Adoleszenz. Zudem sind die bereits aufgetretenen Variationen in den Lebenslagen wesentlich
größer als in jungen Jahren.
10.3.3 Schule und soziales Umfeld in Kindheit und Jugend
Die Schule und das soziale Umfeld in Kindheit und Jugend sind weitere Instanzen der politischen
Sozialisation. Die Schule ist als staatliche Institution direkt mit Aspekten der politischen Sozialisation
betraut (Kandzora 1996). Die konkrete Umsetzung dieser Aufgabe ist allerdings situativ sehr
unterschiedlich. Ähnlich ist dies in dem sozialen Umfeld. Von Bedeutung wäre, ob Erfahrungen in
der Verwandtschaft, bei Freizeitaktivitäten, mit anderen Kindern oder in deren Elternhäusern eher
im Einklang oder im Widerspruch zu den im eigenen Elternhaus erlebten Normen stehen. Erfahrungen
von Homo- oder Heterogenität und die Form des Umgangs können prägend für die weiteren
Einstellungen sein.
Beide Aspekte, Schule und soziales Umfeld in der Kindheit, sind keine eigenständigen Schwerpunkte
des Leitfadens gewesen, sondern wurden ausschließlich in den narrativen Nachfrageteilen der
Interviews thematisiert. Auf den Aspekt der Schulbildung wurde zwar bereits im vorgeschalteten
standardisierten Teil eingegangen. Eine vom Interviewer angeregte Thematisierung von Aspekten
der politischen Sozialisation erfolgte aber nicht. Dies spiegelt eine bewusste Schwerpunktsetzung
wieder, die in gleicher Form auch für die nationalsozialistischen Jugendorganisationen getroffen
wurde, da für die betreffenden Jahrgänge von einem vergleichsweise homogenen Einfluss ausgegangen
wurde. Auffallend ist allerdings, dass nur eine Befragte (Frau Hoffmann KS4) die besondere
Wirkung eines Lehrers hervorhebt. Dieser spielte in ihrer Biographie durch sein Engagement bei
der Durchsetzung ihres Wunsches nach einer Berufsausbildung eine besondere Rolle (s.u.). Dies
bedeutet nicht, dass von einer Wirkungslosigkeit der Sozialisationsinstanz Schule ausgegangen
werden kann. Aber die Menschen können sich nur schwer die Wirkung der politischen Sozialisation
in der Schule schwer erinnern und schreiben dieser eher geringen bewussten Einfluss auf die eigenen
Einstellungen zu 121 . Die Volksschule umfasste acht Jahren, endete also für die große Mehrheit
121 Die Charakterisierung von Schule durch Steinbach (1980, 308) im Rahmen eines Oral History Projektes
trifft, kann auch für die Befragten als pointierte Darstellung Gültigkeit beanspruchen: „Schule ist nach Aus-
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