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Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA

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FRAU SCHULZ: Na ja da, das war ja damals in der Nazizeit, ne (…) Meine Mutter zum<br />

Beispiel, die war in der NS-<strong>Frauen</strong>schaft, sogar Leiterin da, oder wie sich das nannte<br />

einen Onkel, das war ein ganz schwerer SPD-Mann (…) da, da gab´s natürlich Streitereien,<br />

wenn die anfingen über Politik zu reden. Und dann haben sie sich die Köpfe<br />

heiß .. <strong>und</strong> wir waren Kinder damals <strong>und</strong> konnten das nicht verstehen (…) <strong>und</strong> wenn<br />

sie sich dann wochenlang nicht angeguckt haben <strong>und</strong> dann hatte Oma Geburtstag<br />

<strong>und</strong> dann waren sie plötzlich alle da (…) bis plötzlich einer anfing mit der Politik <strong>und</strong><br />

schon war’s passiert. (…) Und das haben wir, meine Schwester .. die jüngere, die<br />

sechs Jahre jünger ist als ich, das ist die einzige von denen die hier in Kassel lebt (…)<br />

<strong>und</strong> wir sehen uns sehr oft (…) aber wir haben uns dann mal als wir erwachsen waren,<br />

dann eines Tages gesagt, wir merkten unsere Männer gingen in verschiedene<br />

Richtungen, <strong>und</strong> da haben wir gesagt, so bei uns in der Familie wird nicht über Politik<br />

gesprochen. (…) Wir wollen keinen Streit, wir verstehen uns gut, Feierabend. Und<br />

das ist auch jetzt geblieben bei der nächsten Generation (…) Wir sprechen nie wenn<br />

wir zusammen sind über Politik.<br />

Zur Aufrechterhaltung der familiären Harmonie <strong>und</strong> Vermeidung von emotionalem Streit zwischen<br />

SPD- <strong>und</strong> NSDAP-Anhängern in der Familie wurde eine Strategie der Politikvermeidung praktiziert.<br />

Unklar bleibt, wann diese von der älteren Generation eingeführt wurde oder ob es sich eher um<br />

eine Idealvorstellung handelt. In einer kurzen Sequenz wird deutlich, dass die innerfamiliären Verwerfungen<br />

aufgr<strong>und</strong> politischer Differenzen langfristig waren.<br />

KS2_1 (363)<br />

FRAU SCHULZ: Denn wir kannten das aus der vorherigen Generation, meine Mutter<br />

<strong>und</strong> Brüder so weiter, das klappte hinten <strong>und</strong> vorne nicht <strong>und</strong> da gab´s oft Ärger.<br />

Und man söhnte sich erst aus als man älter war (…) <strong>und</strong> nur aus diesen politischen<br />

Gründen. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich da kein Interesse habe.<br />

Inwieweit es sich bei der gr<strong>und</strong>legenden Einstellung von Frau Schulz um eine langfristige Auswirkung<br />

dieses Streits <strong>und</strong> möglicherweise auch um einen Zusammenhang mit den nationalsozialistischen<br />

Orientierungen <strong>und</strong> Involvierungen im Elternhaus handelt, bleibt unklar. Deutlich wird, dass<br />

die Streits von den Kindern wahrgenommen <strong>und</strong> als negativ erlebt wurden. Aus dieser Erfahrung<br />

entwickelt sich ein Vermeidungsmuster von Politik, dass nicht nur zusammen mit der Schwester,<br />

sondern auch von einer Nachbarin praktiziert wird.<br />

KS5_1 (404)<br />

FRAU SCHULZ: Das ist aber schon gewesen, ach, da da war sie 18 <strong>und</strong> ich war 24 (…)<br />

<strong>und</strong> sie hatte einen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> ich hatte nen Verlobten (…) die hatten auch nicht<br />

den gleichen .. <strong>und</strong> da waren wir irgendwie .. <strong>und</strong> da meine Schwester zu mir gesagt,<br />

wollen wir nicht einfach den Männern sagen, nicht mehr über Politik reden. Guck<br />

mal, wir verderben uns doch die Abende, wenn wir mal zusammen sind. Da sag ich<br />

da haste eigentlich Recht.<br />

INTERVIEWER: Und das haben die Männer auch gemacht?<br />

FRAU SCHULZ: Ja, mein Mann hat sofort gesagt, das ist in Ordnung <strong>und</strong> mein Schwager<br />

auch. (…) Und so haben wir heute noch, das heißt mein Mann ist nicht mehr da,<br />

aber mein Schwager lebt noch (…) aber bis auch auf den heutigen Tag (…) durfte nie<br />

irgendjemand über Politik was sagen.<br />

INTERVIEWER: Das ist ja ziemlich interessant, dass die dann gespurt haben.<br />

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