Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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Fiorinas Interpretation der PI als retrospektive Evaluation in Einklang zu bringen ist. Der Rational<br />
Choice Ansatz hat sich in diesen <strong>und</strong> anderen Teilfragen als fruchtbare Ergänzung der anderen<br />
Ansätze erwiesen.<br />
3.1.4 Der makrosoziologische Ansatz<br />
Der makrosoziologische Ansatz basiert auf Überlegungen von Stein Rokkan <strong>und</strong> Seymour M. Lipset<br />
aus dem Jahr 1967. In dieser Arbeit wird die historische Entstehung von Parteisystemen in international<br />
vergleichender Perspektive analysiert. Lipset <strong>und</strong> Rokkan gehen davon aus, dass moderne<br />
Gesellschaften durch soziale Konfliktlinien gekennzeichnet sind, die sich in den politischen Formierungen<br />
der Bevölkerung <strong>und</strong> deren Abbildung im Parteiensystem niederschlagen. Die als Cleavages<br />
bezeichneten soziopolitischen Konfliktlinien manifestieren sich an zentralen Differenzen, die ökonomischer<br />
oder kultureller Natur sein können. Diese Konfliktlinien sind makrosoziologische Strukturmuster,<br />
die sich auf die politischen Parteien auswirken <strong>und</strong> von diesen abgebildet werden.<br />
Lipset <strong>und</strong> Rokkan gehen von vier Cleavages aus, die anhand von west- <strong>und</strong> mitteleuropäischen<br />
Beispielen dargestellt werden:<br />
- Zentrum <strong>und</strong> Peripherie<br />
- Kirche <strong>und</strong> Staat<br />
- Stadt <strong>und</strong> Land<br />
- Kapital <strong>und</strong> Arbeit<br />
Diese Konfliktlinien zeichnen sich durch langfristige soziale Stabilität aus <strong>und</strong> verfügen über eine<br />
kulturelle Komponente, die auch außerhalb der Sphäre des Politischen strukturierend wirkt (vgl.<br />
Schoen 2005, 147f.). Die gr<strong>und</strong>legenden Konfliktlinien lassen sich unterschiedlich charakterisieren.<br />
Die Konflikte Zentrum-Peripherie <strong>und</strong> Kirche-Staat sind primär kulturelle Konflikte, während Kapital-Arbeit<br />
<strong>und</strong> in geringerem Maße auch Stadt-Land zunächst materielle Konfliktlinien sind. Zwischen<br />
den Konfliktlinien gibt es Überlagerungen, welche dann zu einer Verstärkung des Cleavages<br />
führen. Es gab zahlreiche Versuche neue Cleavages nachzuweisen, deren Existenz <strong>und</strong> Einfluss auf<br />
individuelles <strong>Wahlverhalten</strong> untersucht wurde. Dabei reicht die Bandbreite möglicher Cleavages<br />
von materialistischer vs. postmaterialistischer Wertorientierungen, <strong>Geschlecht</strong> (Molitor 1992; Liebert<br />
1998; Manza & Brooks 1998; Nieuwbeerta & Manza 2002) <strong>und</strong> <strong>Alter</strong> (Falter & Gehring 1998;<br />
vgl. auch Kohli 2009, 234). Diese Erweiterungen operieren aber größtenteils mit einem Cleavagebegriff,<br />
der hinter den Anforderungen der Gr<strong>und</strong>merkmale eines Cleavages zurückbleibt. Diese<br />
werden durch die dauerhafte Verankerung in der Sozialstruktur mit organisatorischer Basis in der<br />
Interessenvermittlung, das Vorhandensein klar erkennbarer Gruppen mit gegensätzlichen Positionen<br />
<strong>und</strong> deren Legitimation durch Werte oder Ideologien charakterisiert (Gabriel & Keil 2005,<br />
623f.). Ein Problem ist in der Makroorientierung des Ansatzes zu sehen. Die Erklärung individuellen<br />
<strong>Wahlverhalten</strong>s war ursprünglich nicht das Ziel <strong>und</strong> vermittelnde Prozesse auf der Meso- oder<br />
Individualebene sind in der ursprünglichen Theorieskizze nicht vorgesehen. Bezug zu den vorliegenden<br />
Ansätzen wird nicht genommen, stattdessen wird historisch vergleichend argumentiert.<br />
Der Ansatz beschreibt Konfigurationen politischer Präferenzen <strong>und</strong> soziostrukturelle Zugehörigkei-<br />
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