Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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nition der Realität (Tornstam 2005, 91). Diese neue Definition der Realität ist im Gegensatz zur<br />
ursprünglichen Konzeption der Ich-Integrität Eriksons vorwärts gerichtet (Tornstam 2005, 145) 20<br />
<strong>und</strong> eignet sich daher Phänomene sich wandelnder Präferenzen für Aktivitäten <strong>und</strong> einen möglichen<br />
Bedeutungswandel von Alltagshandlungen <strong>älterer</strong> Menschen zu erklären.<br />
4.2.3 Perspektive der Aktivität<br />
Ebenso wie die Theorie des Disengagement basieren die ersten Formulierungen des Aktivitätsansatzes<br />
auf der Kansas City Study on Aging. Mit Robert J. Harvinghurst <strong>und</strong> Benice Neugarten arbeitete<br />
ein weiteres Team auf Basis anderer theoretischer Gr<strong>und</strong>überlegungen <strong>und</strong> Vorannahmen an der<br />
Studie. Der theoretische Kern ist die Annahme, dass ältere Menschen dieselben Menschen seien wie<br />
jüngere <strong>und</strong> die gleichen psychologischen <strong>und</strong> sozialen Bedürfnisse haben (Harvinhurst, Neugarten<br />
& Tobin 1968, 161). Ein Wandel des Lebensstils erfolgt nicht in Übereinstimmung mit den eigentlichen<br />
Präferenzen des Individuums. Die Annahme, dass Individuen einen möglichst langen Erhalt<br />
der Aktivitäten <strong>und</strong> Einstellungen des mittleren Lebensalters anstreben, steht den Überlegungen<br />
der Disengagementperspektive konträr gegenüber (Harvinhurst 1977 [1963], 568). Die Aktivitätstheorie<br />
hatte zum Zeitpunkt ihrer Explikation nicht nur unter Praktikern der Gerontologie <strong>und</strong><br />
sozialen Arbeit mit Älteren den Rang einer verbreiteten handlungsleitenden Vorannahme (vgl.<br />
Backes & Clemens 2003). Die Formulierung der Disengagementperspektive bedurfte jedoch der<br />
Formulierung einer alternativen theoretischen Perspektive. Äquivalente Überlegungen zum Aktivitätsansatz<br />
gibt es bereits vor Beginn der amerikanischen Debatte (z.B. Tartler 1961). Die Rezeption<br />
<strong>und</strong> der Einfluss dieser Darstellungen war aber im Vergleich zu den bereits dargestellten Ansätzen<br />
gering. Sowohl Cumming <strong>und</strong> Henry, wie auch Harvinghurst verweisen an verschiedenen Stellen<br />
auf das zugr<strong>und</strong>e liegende Alltagswissen über <strong>Alter</strong>n. Die Vertreter der Aktivitätsperspektive bestreiten<br />
„inevitable changes in biology and in health” nicht, entwickeln daraus aber eine andere<br />
Interpretation des optimalen <strong>Alter</strong>ns: "The older persons who ages optimally is the person who<br />
stays active and who manages to resist the shrinkage of its social world" (Harvinhurst, Neugarten &<br />
Tobin 1968, 161). Dies beinhaltet eine deutliche Abgrenzung zur Disengagmentperspektive, die den<br />
Prozess des sozialen Rückzuges als freiwillig <strong>und</strong> mit intrinsischen <strong>und</strong> entwicklungsbezogenen<br />
Qualitäten beschreibt. Der Aktivitätsansatz unterscheidet zwischen Disengagement als Prozess,<br />
wobei die Position <strong>und</strong> Beschreibung von Cumming <strong>und</strong> Henry befürwortet wird, <strong>und</strong> Disengagement<br />
als Theorie optimalen <strong>Alter</strong>ns (Harvinhurst, Neugarten & Tobin 1968, 161 & 164; vgl. Lehr<br />
1991, 60). Damit unterscheiden sich die beiden Theorien vor allem in der normativen Perspektive<br />
auf den <strong>Alter</strong>nsprozess. Übereinstimmungen äußern sich jedoch in der Definition dessen was als<br />
erfolgreiches <strong>Alter</strong>n verstanden wird, nämlich "Zufriedenheit mit dem gegenwärtigen <strong>und</strong> vergangenen<br />
Leben" (Harvinhurst 1968, 568) <strong>und</strong> der Feststellung, dass die Ursachen der Zufriedenheit<br />
20 In die posthum erweiterte Auflage von Eriksons (1997) „The Life Cycle Completed“ wurde von Joan M. Erikson<br />
ein Kapitel über Gerotranszendenz eingefügt <strong>und</strong> das Phasenmodell um eine neunte Entwicklungsphase<br />
erweitert. Die Vernachlässigung der Behandlung späterer Lebensphasen in Eriksons Entwicklungsmodell ist<br />
seiner Schwerpunktsetzung auf Kindheit <strong>und</strong> Adoleszenz geschuldet, wurde aber von verschiedenen Autoren<br />
als Moment für eigene theoretische Überlegungen angegeben (Cumming & Henry 1963, 7).<br />
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