Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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12.3 Bedeutung der Ergebnisse für die Wahl- <strong>und</strong> politische Kulturforschung<br />
Die Ergebnisse der empirischen Erhebung belegen eindeutig die erhebliche Bedeutung der lebenslangen<br />
politischen Sozialisation auf aktuelle Entscheidungen. Ebenfalls wird deutlich, dass die Prägekraft<br />
auf politische Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensformen zumindest für die untersuchten Geburtsjahrgänge<br />
erheblich ist. Da politische Sozialisation <strong>und</strong> die Formation politischer Generationen<br />
zeit- <strong>und</strong> kontextgeb<strong>und</strong>en sind, bedeutet dies, dass der Charakter sozialwissenschaftlicher<br />
Theorien als Theorien mittlerer Reichweite stärker in das Bewusstsein gerufen werden muss. So<br />
haben in der untersuchten Gruppe die verschiedenen Theorien der Wahl unterschiedliche Erklärungsgehalte.<br />
Die Erklärungskraft der älteren soziologischen Theorien ist für die untersuchte<br />
Gruppe sehr hoch. Von den klassischen Milieuprägungen abweichendes <strong>Wahlverhalten</strong> ist in der<br />
untersuchten Stichprobe eine große Ausnahme.<br />
Deutlich wird aber auch, dass die Zugehörigkeit zu einer politischen Generation nicht als Cleavage<br />
im Sinne des makrosoziologischen Erklärungsmodels geeignet ist (vgl. Kohli 2009). Die Differenzen<br />
in Lebenslagen <strong>und</strong> ideologischen Positionierungen innerhalb der Gruppe der Älteren ist zu heterogen,<br />
um einen vereinheitlichenden Effekt zu haben. Zudem ist innerhalb der untersuchten Gruppe,<br />
sofern dies im Prozess der Wahlentscheidung überhaupt eine Rolle spielt, ein Verständnis von<br />
eigenen Interessen beobachtbar, das transgenerational ausgerichtet ist <strong>und</strong> in sozialen Zusammenhängen<br />
verstanden wird. Dieses Verständnis bezieht die aktuelle Lage der Kinder <strong>und</strong> Enkel in<br />
politische Entscheidungen mit ein <strong>und</strong> ist durch den Willen zur Zukunftsgestaltung dieser Gruppe<br />
geprägt 185 .<br />
Der Einfluss des näheren sozialen Umfeldes ist auch auf den Prozess der Meinungsbildung von<br />
großer Bedeutung, wie dies der mikrosoziologische Ansatz der Wahlforschung in den Mittelpunkt<br />
stellt. Auffallend ist der homogenisierende Effekt langfristiger Partnerschaften auf Werte, Einstellungen<br />
<strong>und</strong> Verhaltensformen. Hier ist insbesondere die nachhaltige Wirkung der Ehemänner hervorzuheben,<br />
die bedingt durch geschlechterspezifische Kompetenzzuschreibungen oft die Rolle<br />
eines Meinungsführers innerhalb der Partnerschaft einnimmt. Dies bedeutet aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen<br />
Lebenserwartungen von Männern <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>, dass mit der Verwitwung strukturelle<br />
Veränderungen des Entscheidungsprozesses bei Wahlen stattfinden. Insbesondere für den ersten<br />
Entscheidungsprozess, an einer Wahl teilzunehmen oder auf eine Wahlteilnahme zu verzichten,<br />
sind die Veränderungen im persönlichen Umfeld <strong>und</strong> der eigenen Ressourcensituation der Wählerinnen<br />
von großer Bedeutung. Dies lässt sich auch als individueller Entwicklungsprozess beschreiben,<br />
der als eine Adaption an die im zunehmenden <strong>Alter</strong> eintretenden Veränderungen der Ressour-<br />
185 Dies lässt sich als Identifikation mit <strong>und</strong> Sorge um eine Gemeinschaft beschreiben, die nicht nur auf das<br />
individuelle Wohl ausgerichtet ist. Vielmehr steht ein überindividuelles Wohlergehen im Mittelpunkt dieses<br />
Handels, was sich Aspekten der entwicklungspsychologischen Theorie der Gerotranszendenz (vgl. Abschnitt<br />
4.2.2.; vgl. auch Kohli et al. 2000) verbinden lässt.<br />
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