Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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EF6_1(188)<br />
INTERVIEWER: Und ... Sie haben gerade gesagt, früher haben Sie sich mehr für Politik<br />
interessiert, woher<br />
FRAU NEUMANN: Ja, da war ich jünger. Jungmädchen, BDM<br />
INTERVIEWER: ja<br />
FRAU NEUMANN: da war man ja automatisch überall drin bei Hitler, <strong>und</strong> da kriegte<br />
man das alles, in Schule ja schon, Lautsprecher in der Klasse, mussten wir hören<br />
wenn Hitler sprach <strong>und</strong> alles. Und das wurde uns so eingeprägt, wir wussten wann<br />
der geboren war <strong>und</strong> ja alles von dem auswendig.<br />
Hier deutet sich an, dass bereits während des Nationalsozialismus das stereotype Muster der unpolitischen<br />
Frau erworben wurde <strong>und</strong> als Rollenmuster nach der ideologischen Krise des Zusammenbruchs<br />
fortgeführt werden konnte. Die Befragten, die es vermeiden sich zu der eigenen Vergangenheit<br />
zu positionieren, scheinen deutlich stärker durch die unpolitischen Rollenteile <strong>und</strong> Persönlichkeitselemente<br />
der Vorkriegsidentität bestimmt zu werden (vgl. Schörken 1990, 108). Die Kontinuität<br />
der Persönlichkeit kann mittels Ausblendung bestimmter Bereiche verbessert oder ermöglicht<br />
werden. Bei den Befragten, die eine solche Vermeidung des Nationalsozialismus <strong>und</strong> der eigenen<br />
Emotionen als Gesprächsthema erkennen lassen, handelt es sich auch um Personen, die stärker ein<br />
Muster der Politikvermeidung praktizieren.<br />
Dieser Bef<strong>und</strong> spricht teilweise gegen Rosenthals These (1989, 340f.), dass der Grad der individuellen<br />
Identifikation am Ende der NS-Zeit entscheidend für die weitere Verarbeitung sei 148 . Rosenthal<br />
(1989, 343) sieht insbesondere diejenigen zu einer Auseinandersetzung gezwungen, deren Rollenidentität<br />
mit dem NS-Regime zusammenhängt. Personen, die auf andere Rollenidentitäten zurückgreifen<br />
können, könnten eine solche Auseinandersetzung vermeiden indem sie diese anderen Rollen<br />
stärker in den Mittelpunkt der Identität bringen. Dies mag in einzelnen Fällen wie bei Frau Hoffmann<br />
(KS4) zutreffen. Die Rollenidentität im Mittelpunkt ist in den meisten Fällen, die der Hausfrau<br />
<strong>und</strong> Mutter, welche gleichermaßen denjenigen zur Verfügung steht, die schon immer auf Distanz<br />
zum Nationalsozialismus waren, diese Distanz erst erwarben oder bisher eine Auseinandersetzung<br />
vermeiden konnten.<br />
10.4.2 Generationserfahrung: Krieg<br />
Die kollektive Erfahrung des Krieges hat in den Erinnerungen <strong>und</strong> Darstellungen der Befragten<br />
kontextbedingt Schnittmengen mit dem Nationalsozialismus. Allerdings unterscheiden sich die<br />
Kriegserfahrungen in mehreren Punkten von der Erfahrung des Nationalsozialismus. Zunächst sind<br />
die Erfahrungen des Krieges je nach Grad der Auswirkungen sehr unterschiedlich. Während einige<br />
existenzielle Traumatisierungen erlebten, ist für andere der Krieg weitgehend ohne persönliche<br />
Folgen geblieben. Radebold (2005, 24, Hervorhebungen im Original) unterscheidet drei Bereiche<br />
„beschädigender bis traumatisierender zeitgeschichtlicher Erfahrungen“: den Verlust von zentralen<br />
148 Rosenthal bezieht sich aber ausschließlich auf die „Hitlerjugendgeneration“.<br />
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