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Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA

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Frau Schwarz hebt fast entschuldigend hervor, dass die Motivation des Feinsenderhörens, die Sorge<br />

vor den Kriegsfolgen war. Unklar ist, wie das Verhältnis zu den Eltern gewesen ist. Es wird mehrfach<br />

die eigene Uninformiertheit hervorgehoben, die mit dem <strong>Alter</strong> <strong>und</strong> der Schule begründet wird.<br />

Emotionale Erinnerungen in Bezug auf das Elternhaus wie bei Frau Krüger oder Frau Hoffmann<br />

(siehe Abschnitt 10.3.1.) werden nicht berichtet. Auffallend ist auch, dass auch jede Emotion in<br />

Bezug auf den BDM fehlt. Die vielfach berichtete Begeisterung <strong>und</strong> Anziehungskraft, die bei den<br />

heute klar zum Nationalsozialismus distanzierten Befragten wie Frau Schmidt oder Frau Hoffmann<br />

durchscheint, wird nicht erwähnt. Die weit verbreiteten, mit dem BDM verb<strong>und</strong>enen „kollektiven<br />

Gefühlslagen“ (Müller-Kipp 2007, 179) werden weder von Frau Schwarz noch von den anderen<br />

Interviewten erwähnt. Die Befragten berichten aber auch nicht über Gefühle einer frühen Distanz<br />

wie bei Frau Krüger (NW1). Treu (2003, 302) weist daraufhin, dass man es sich als „unterschwelliges<br />

Dogma der Nachkriegszeit“ vorzustellen habe, dass man zwar über den Nationalsozialismus<br />

informiert war, aber dass „eine emotionale Nähe (…) keineswegs erinnert oder kommuniziert werden<br />

[durfte]“.<br />

Auffällig ist, dass „Entschuldigungssemantiken“, die von Müller-Kipp (2007, 32) in diesem Zusammenhang<br />

bei der Analyse biographischer Interviews zu BDM-Erfahrungen beobachtet werden, vor<br />

allem von den Befragten mit einer erfolgreichen Distanzierung zum Nationalsozialismus kommen.<br />

Typisch für diese Semantiken sind Erklärungen des eigenen Verhaltens durch „Nichtwissen“ oder<br />

rückwirkend eine eigene „Verführung“. Sowohl von Frau Hoffmann als auch bei Frau Zimmermann<br />

wird auf das eigene Unwissen hinsichtlich der Judenverfolgung hingewiesen. Dies kann auch als<br />

Indiz für eine Auseinandersetzung mit der möglichen eigenen Schuld interpretiert werden, die in<br />

anderen Fällen eher nicht erfolgt.<br />

Ebenso wie das Muster der Distanzierung ist die Nichtdistanzierung oder besser Tabuisierung langfristig<br />

angelegt. Diese Langfristigkeit der Erfahrungen wird auch bei Frau Neumann (EF6_1) deutlich,<br />

die ihr geringes politisches Interesse mit dem Hitlerstaat begründet.<br />

EF6_1 (174)<br />

FRAU NEUMANN: Gar nicht. Wenn ich im Fernsehen Nachrichten gucke. … Ich interessiere<br />

mich überhaupt nicht für Politik, das war einmal (…) ich hab genug Pleiten<br />

erlebt mit Politik. Ich hab den Hitlerstaat mitgemacht da war ich Kind (…) keine Jugend<br />

gehabt <strong>und</strong> nischt, Krieg, ich hab den Hitler nie gewählt, heute sollen wir noch<br />

bluten <strong>und</strong> Bezahlungen 147 machen<br />

Im Interview sagt Frau Neumann, sie habe sich früher mehr für Politik interessiert. Die Rückfrage<br />

macht deutlich, dass dieser Bruch mit dem Zusammenbruch des Dritten Reichs eintrat.<br />

147 Die Nennung vermeintlicher Reparationszahlungen ist eine Fortsetzung <strong>älterer</strong> Argumentationsmuster, die<br />

als ein Überdauern von erworbenen Argumentationsmustern interpretiert werden kann.<br />

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