Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
In dem Zitat wird deutlich, dass die Befragte der Mehrheit der in ihrer Umgebung Lebenden eine<br />
Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeit zuschreibt. Dies ist sowohl in meiner Einschätzung des<br />
betreffenden Alten- <strong>und</strong> Pflegeheims aber auch für die Mehrheit der Einrichtungen in Deutschland<br />
eine zutreffende Einschätzung (vgl. Klein & Gabler 1996). Inwieweit ein Zusammenhang zwischen<br />
dem Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> der Wahlbeteiligung besteht, wie dies Frau Müller herstellt, ist fraglich.<br />
Der Ges<strong>und</strong>heitszustand an sich ist eher ein kleineres Hindernis für die Teilnahme an der<br />
Wahl. Allerdings ist feststellbar, dass es bei den Befragten, die in Pflegeheimen leben oder von Angehörigen<br />
gepflegt werden, zu einem deutlich höheren Anteil von Nichtwählerinnen kommt als bei<br />
den selbstständig lebenden Befragten. Dies spricht sowohl für Erklärungsansätze der Disengagementtheorie,<br />
die mit der Abnahme der Rollenanzahl argumentiert, als auch für ressourcenorientierte<br />
Erklärungen. Die Fälle von Frau Neumann (EF6) <strong>und</strong> Frau Wolf (EF7), die beide im Interview<br />
zwar eine Wahlabsicht äußerten, aber aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Möglichkeit im <strong>Alter</strong>sheim zu wählen,<br />
diese nicht umsetzen, machen auch deutlich, dass die wahrgenommenen Möglichkeiten mit<br />
Verhaltensnormen <strong>und</strong> -erwartungen im Kontext des Pflegeheims eine wichtige Rolle spielen können.<br />
Hier bestehen Unterschiede zu den Nichtwählerinnen, die zu Hause wohnen <strong>und</strong> nicht wählen<br />
wollen sowie den Befragten, die im Pflegeheim leben <strong>und</strong> denen in der eigenen Wahrnehmung die<br />
Möglichkeit zu wählen fehlt 139 .<br />
10.3.9 Zusammenfassung Sozialisationsinstanzen<br />
Die bisher dargestellten Sozialisationsinstanzen des Elternhauses, des sozialen Umfeldes, der Schule<br />
<strong>und</strong> der Jugendorganisationen während der Kindheit sowie die Erwerbstätigkeit, der (Ehe-<br />
)Partner <strong>und</strong> die Kinder wirken unterschiedlich auf die aktuellen politischen Verhaltensweisen <strong>und</strong><br />
Einstellungen der Befragten. Die Effektstärke der einzelnen Sozialisationsinstanzen lassen sich nur<br />
schwer miteinander vergleichen. Zudem begrenzen notwendige Schwerpunktsetzungen <strong>und</strong> Gewichtungsentscheidungen<br />
im Erhebungsinstrument eine langfristige Effekte abwägende Beurteilung.<br />
Die Einflüsse einiger Sozialisationsinstanzen wie die Schule, die Jugendorganisationen oder<br />
die Medien lassen sich mit dem gewählten Verfahren nicht umfassend bestimmen. Andere Einflüsse,<br />
etwa durch Elternhaus oder Geschwister, lassen sich vergleichsweise gut erheben, wobei der<br />
Grad des Einflusses zwischen den Befragten <strong>und</strong> die Fülle der jeweils gegebenen Informationen<br />
sich teilweise erheblich unterscheiden. Vergleichsweise viele Informationen liegen bei allen Fällen<br />
zu den im späteren Lebensverlauf wichtigen Sozialisationsinstanzen der (Ehe-)Partner <strong>und</strong> Kinder<br />
vor. Auffällig ist, dass sich über die Gesamtheit der Fälle kaum eindeutige Effekte bestimmter Sozialisationsinstanzen<br />
ergeben.<br />
139 An diesem Punkt spielen die pflegepraktischen Umsetzungen der klassischen theoretischen Perspektiven<br />
des <strong>Alter</strong>(n)s Disengagement, Kontinuität <strong>und</strong> Aktivierung sicherlich eine Rolle. Die Perspektive des Disengagements<br />
<strong>und</strong> eine Population in einer Pflegeeinrichtung, die eine solche Perspektive nahelegen, bedeuten wie<br />
in den beiden Fällen eine Erschwerung der Wahlteilnahme. Einer solchen Erschwerung versucht der Gesetzgeber<br />
beispielsweise durch die Einrichtung beweglicher Wahlvorstände vorzubeugen.<br />
204