Wahlverhalten älterer Frauen. Alter, Geschlecht und ... - KOBRA
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Die ostdeutschen unterscheiden sich von den westdeutschen Befragten durch Merkmale, die in den<br />
Interviewsituationen deutlicher wahrzunehmen sind als in den Transkripten. Auffallend ist zunächst,<br />
dass die ostdeutschen Befragten weniger Probleme hatten einem Fremden gegenüber ihre<br />
politischen Präferenzen mitzuteilen. Ihr Muster der Politikvermeidung unterscheidet sich erkennbar.<br />
Politik wird eher aus Gründen einer Politikferne oder apathischen Enttäuschung heraus vermieden,<br />
aber nicht wegen eines Tabus wie bei den westdeutschen Fällen der Politikvermeider<br />
(s.u.). In der Folge wird weniger entlang möglicher politischer Konfliktlinien differenziert um Streit<br />
zu vermeiden, sondern eher der Kontakt mit politisch gleich Interessierten gesucht.<br />
Zudem wird in den Interviews ein anderer Umgangsstil mit Politik deutlich. Das nonverbale Verhalten<br />
in den Interviews wird von mir in einigen Fällen als eigenartig wahrgenommen, da die nonverbale<br />
Kommunikation eine stärkere Bedeutung hat. So werden beispielsweise Sätze nicht beendet<br />
<strong>und</strong> stattdessen mit „vielsagenden Blicken“ Ablehnung signalisiert. Die ostdeutschen Befragten sind<br />
in der Artikulation ihrer Präferenzen <strong>und</strong> politischen Bewertungen unklarer, möglicherweise sind<br />
diese auch unsicherer. Bei systemnahen Befragten wie Frau Klein (EF3) fallen an vielen Stellen<br />
typische Formulierungen des DDR-Systems auf. Bei den Befragten in Ostdeutschland sind stärker<br />
als bei den Westdeutschen <strong>und</strong> unabhängig vom <strong>Alter</strong> der Befragten Probleme bei der Erinnerung<br />
von Partei- oder Politikernamen sowie verschiedener Institutionen zu beobachten.<br />
EF3_1 (20)<br />
FRAU KLEIN: Dieses, dieses tiefere Blicken, möchte ich sagen ok. Wobei ich ehrlich<br />
gesagt auch viel davon halte von der äh wie heißt unsere neue Partei noch?<br />
INTERVIEWER: P<br />
FRAU KLEIN: PDS. Die PDS.<br />
Mit der Ausnahme der politisch sehr Interessierten, bei denen solche Wortfindungsprobleme nicht<br />
auftreten, lässt sich dies als Ausdruck eines geringeren formalen politischen Wissens beschreiben,<br />
welches aus der kürzeren Zughörigkeit zum politischen System resultiert. Deutlich wird aber auch,<br />
dass es sich dabei um langfristig erworbene Kommunikationsmuster handelt, die als politische<br />
Sozialisationseffekte im mittleren Erwachsenenleben interpretiert werden können. Hier wirkt sich<br />
der zentrale Unterschied der Nachkriegserfahrungen der ost- <strong>und</strong> westdeutschen Befragten aus.<br />
Die Möglichkeiten zur politischen Partizipation unterscheiden sich ebenso erheblich wie die mediale<br />
Darstellung von Politik. Bei einigen Befragten (Frau Wolf E7; Frau Müller BR1) wird ein erstaunliches<br />
Kontinuitätserleben von Politik deutlich, dass politische Systeme eher ignoriert <strong>und</strong> kaum<br />
Veränderungen der partizipativen Muster erkennen lässt. Frau Wolf sieht ihre Parteipräferenzen<br />
als plausible Abfolge.<br />
EF7_1 (15)<br />
FRAU WOLF: Na ja also, wir waren SPDer (…) dann SEDer, dann SPDer (lacht)<br />
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