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Hörspiel. Form und Funktion.

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Schauspieler außer dem Wort des Dichters, das er »gestalten« soll, noch die Fülle seiner<br />

körperlichen Ausdrucksmittel, die der Bildergänzung ebenso dienen wie der<br />

ausgeleuchtete <strong>und</strong> der Situation angepaßte Bühnenraum. Der <strong>Hörspiel</strong>er kann nur in sich<br />

hineinhorchen lassen. Seine Stimme kommt aus dem leeren Raum, aus dem Unraum <strong>und</strong><br />

aus einer großen Einsamkeit. Kann er sie glaubhaft machen <strong>und</strong> kann er die Worte des<br />

Autors mit kryptodramatischer Spannung laden, so kommt es zu einer Leistung, die willige<br />

Hörer tief bewegen kann, aber nur, wenn der Text, den er zu sprechen hat, innerlich wahr<br />

<strong>und</strong> wirklich verdichtet ist <strong>und</strong> wenn er dieser Wahrheit <strong>und</strong> Dichte nachvollziehbare<br />

akustische Gestalt gibt. Wo dies der Fall ist, reicht seine Leistung in die letzten Tiefen<br />

radiophonischer Erlebnisvermittelung hinab.<br />

Das reine Stimmenspiel <strong>und</strong> das »totale Schallspiel«<br />

Das Stimmenspiel kennt keine eigentlichen Handlungsträger, sondern, hierin dem Feature<br />

verwandt, eine existentielle oder seelische Gr<strong>und</strong>situation, die variiert, paraphrasiert,<br />

allmählich vertieft <strong>und</strong> formal bisweilen dem lyrischen Spiel stark angenähert wird. So<br />

verliert sich die Grenze zum Feature im <strong>Hörspiel</strong> »Das Appartementhaus« (1961) von<br />

Rainer PUCHERT. Die Technik dieses reinen Stimmenspiels erinnert an Dylan THOMAS'<br />

Funkdichtung »Unter dem Milchwald« (1954). Schwebende <strong>und</strong> Schlagklänge untermalen<br />

<strong>und</strong> skandieren die Schilderung des Sichtbaren, die der Sprecher gibt, <strong>und</strong> die Namens<strong>und</strong><br />

Nummernlisten der monotonen Stimme. Eine sanfte kindliche Stimme vereint sich bei<br />

der Schilderung den monotonen Männerstimmen. Sie hat genau dieselbe <strong>Funktion</strong> wie<br />

diese, bleibt im Epischen, kennt kein Sentiment, fordert nichts, bemängelt nichts.<br />

Zwischen Träumen <strong>und</strong> Wachdialogen lernt man viele Hausbewohner <strong>und</strong> Menschen<br />

kennen, die als Müll- <strong>und</strong> als Wäschefahrer, als Milchmänner, Putzfrau oder Hausmeister<br />

im Appartementhaus aus <strong>und</strong> ein gehen. Auch das Haus selbst spricht zu den Hörern.<br />

Häufiger Raumwechsel wird verdeutlicht durch Geräusche <strong>und</strong> veränderte Akustik.<br />

Wenn Günter EICH sieben <strong>Hörspiel</strong>e unter dem Titel »Stimmen« zusammenfaßt, so<br />

verzichtet er in diesen Dichtungen nicht durchweg auf reale Situationen <strong>und</strong> Vorgänge,<br />

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