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Bühnenstück. Der Wegfall des Mimischen, dem auch das breite Publikum seit der<br />
Jahrh<strong>und</strong>ertwende durch den Film verfallen ist, die Isolierung der Hörer im stillen<br />
Kämmerlein <strong>und</strong> damit die Erschwerung des befreienden Gesprächs als Folge eines<br />
Spielerlebnisses, vor allem aber die Einbettung der Spiele in ein Programm, das nur zum<br />
kleinsten Teil theaterähnliche Darbietungen enthält, hat zu einer allmählichen<br />
Entfremdung zwischen den Vielen <strong>und</strong> dem <strong>Hörspiel</strong> geführt, der die R<strong>und</strong>funkpolitik der<br />
Goebbels-Ära ebenso Vorschub geleistet hat wie die soap opera <strong>und</strong> das daytime serial<br />
des Fernsehens unter amerikanischem Einfluß. Wohl weisen die Hörerbefragungen noch<br />
beachtliche Prozentzahlen von <strong>Hörspiel</strong>fre<strong>und</strong>en auf, aber Stichproben, die durch Jahre<br />
<strong>und</strong> an vielen Orten vorgenommen wurden, zeigen doch außer einer stetigen<br />
Abwanderung zum Fernsehen eine Umschichtung der Hörerschaft, die Hand in Hand geht<br />
mit der Differenzierung der dramaturgischen Mittel des künstlerischen <strong>Hörspiel</strong>s, dem ja<br />
doch unser Hauptinteresse gilt. An ihm nehmen hauptsächlich die geistig Mündigen teil,<br />
die auch die Hörer des Dritten Programms <strong>und</strong> des Abendstudios sind. Auch sie stellen<br />
noch ein erfreuliches Kontingent als diskussionsfreudige Gruppe, während die breite<br />
Masse der Hörerschaft durch Kriminalspiele <strong>und</strong> volkstümliche Darbietungen in Spielform<br />
weiterhin zum R<strong>und</strong>funkhören nach 20 Uhr hin <strong>und</strong> wieder verlockt wird, sofern sie noch<br />
über keine Fernsehgeräte verfügt, die ihr zusätzlich das bieten können, was der Hörfunk<br />
nur mangelhaft vermitteln kann: Erotik <strong>und</strong> Erotisierung durch Filme oder filmisch<br />
konzipierte Fernsehspiele. Die Gewohnheit hat die Spannung der vom Existenzkampf<br />
Ermatteten, vom Zweifel Zernagten, zur Wahrheitssuche aber meist schon nicht mehr<br />
Fähigen erschlaffen lassen, <strong>und</strong> zwar nicht nur im politischen Bereich. Das Individuum ist<br />
im Zerfall begriffen, <strong>und</strong> viele Bühnenregisseure sind bemüht, auch den Schauspieler von<br />
der Gestaltung geschlossener Persönlichkeiten wegzulenken, ihn zum Sprachrohr von<br />
Meinungen zu machen <strong>und</strong> die Einheit aus Eros, Lust an der Maske <strong>und</strong> Mimik, die selbst<br />
dem Wort des Dichters als Basis dient, zu zerstören, was sich im <strong>Hörspiel</strong> durch<br />
sprachliche Unterkühlung oder Überhitzung ausdrückt. Gewiß, wenn gesagt wird, daß die<br />
Neigung zur Abstraktion beim Theater das Körperliche ins Unrecht setze, so spüren wir<br />
das beim körperlosen <strong>Hörspiel</strong> nur wenig, aber der gestaltungsfähige Sprecher im<br />
Handlungsspiel (im Gegensatz zum reinen Stimmenspiel) läßt uns das Wort doch auch<br />
als Ausdruck seines keineswegs körperlosen Trägers empfinden. Dagegen mißlingt beim<br />
Stimmenspiel oft genug die Abstraktion vom Körperlichen, die auf dem Theater ein<br />
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