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nicht gleich stark, unter ihren Krisen. Keiner ist dagegen immun, <strong>und</strong> keiner nur ein<br />
einzelner, der sich völlig ab- <strong>und</strong> ausschließen könnte aus den Umweltregungen. jeder<br />
bleibt, renitent oder willig, ein Teil der Gesellschaft, in der er lebt. Er <strong>und</strong> seine Familie,<br />
seine Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Arbeitskameraden sind »eingelagert <strong>und</strong> damit überformt von der<br />
Kultur eines Nachbarschaftsbezirks, eines Dorfes, eines Stadtteils, auch einer<br />
Pfarrgemeinde, einer sozialen Schicht« (Carl Weiß). Hinzu kommen etwas spärlicher<br />
auftretende, vielleicht auch schwächer wirksame Determinanten, die den eigenen<br />
Volksstamm, die Sprachgemeinschaft <strong>und</strong> die größere Zivilisationsgemeinschaft<br />
bestimmen, <strong>und</strong> schließlich sogar Trends <strong>und</strong> Tabus, die im Zuge der verkehrsbedingten<br />
globalen Ausdehnung gewisser Verhaltensweisen sich entwickelt haben. Man spricht ja<br />
doch von »Superkulturen«, die ortlos sind <strong>und</strong> mit Produkt des Einflusses der modernen<br />
Massenkommunikationsmittel. Etwas überspitzt vielleicht könnte man sogar nachweisen,<br />
daß gewisse Leitbilder, die in <strong>Hörspiel</strong>en verschiedener Art häufig wiederkehren -<br />
geläufigstes Beispiel: die »soap opera« - sich durch das <strong>Hörspiel</strong> auf große Gruppen von<br />
Gewohnheitshörern übertragen haben <strong>und</strong> immer wieder übertragen werden. Diese<br />
Möglichkeit, Leitbilder zu erzeugen, fällt ins Gewicht in einer Zeit, die den Prozeß der<br />
Dissoziation stärker zu spüren gibt als die positiven sozialen Prozesse des Zueinander,<br />
Miteinander <strong>und</strong> Füreinander.<br />
Der Programmverantwortliche darf nicht blind sein gegenüber der schon weit<br />
fortgeschrittenen, jede kulturelle Arbeit erschwerenden <strong>und</strong> die Kultur als eine Lebenskraft<br />
selbst in Frage stellenden Auflösung des sozialen Gefüges, die erkennbar wird im<br />
raschen Auf- <strong>und</strong> Abstieg der einzelnen, ganzer Familien <strong>und</strong> Berufsstände, in der<br />
wachsenden Mobilität.<br />
Umgesiedelte <strong>und</strong> zwangsläufig vertriebene Menschen sind übrigens besonders willige<br />
R<strong>und</strong>funkhörer. Sie sind meist auch durch <strong>Hörspiel</strong>e, vor allem durch wirklichkeitsnahe,<br />
ansprechbar. Aller alten Bindungen ledig oder beraubt, finden sie in der irgendwoher <strong>und</strong><br />
überallhin tönenden Stimme ein erstes Orientierungsmittel, wobei es, wie Gruppentests<br />
immer wieder zeigen, gleichgültig ist, ob der Nachrichtensprecher oder der Dichter zu<br />
ihnen spricht. Für den <strong>und</strong>ifferenzierten Menschen ist Wort gleich Wort, Aussage gleich<br />
Aussage. Für ihn kommt es bei jeder Sendung auf das Reale, auf den Wirklichkeitsgehalt<br />
an. Er sucht allein <strong>und</strong> ständig nach Hilfsmitteln, die ihm die Orientierung erleichtern.<br />
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