28.02.2014 Aufrufe

Hörspiel. Form und Funktion.

Hörspiel. Form und Funktion.

Hörspiel. Form und Funktion.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

http://www.mediaculture-online.de<br />

nicht gleich stark, unter ihren Krisen. Keiner ist dagegen immun, <strong>und</strong> keiner nur ein<br />

einzelner, der sich völlig ab- <strong>und</strong> ausschließen könnte aus den Umweltregungen. jeder<br />

bleibt, renitent oder willig, ein Teil der Gesellschaft, in der er lebt. Er <strong>und</strong> seine Familie,<br />

seine Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Arbeitskameraden sind »eingelagert <strong>und</strong> damit überformt von der<br />

Kultur eines Nachbarschaftsbezirks, eines Dorfes, eines Stadtteils, auch einer<br />

Pfarrgemeinde, einer sozialen Schicht« (Carl Weiß). Hinzu kommen etwas spärlicher<br />

auftretende, vielleicht auch schwächer wirksame Determinanten, die den eigenen<br />

Volksstamm, die Sprachgemeinschaft <strong>und</strong> die größere Zivilisationsgemeinschaft<br />

bestimmen, <strong>und</strong> schließlich sogar Trends <strong>und</strong> Tabus, die im Zuge der verkehrsbedingten<br />

globalen Ausdehnung gewisser Verhaltensweisen sich entwickelt haben. Man spricht ja<br />

doch von »Superkulturen«, die ortlos sind <strong>und</strong> mit Produkt des Einflusses der modernen<br />

Massenkommunikationsmittel. Etwas überspitzt vielleicht könnte man sogar nachweisen,<br />

daß gewisse Leitbilder, die in <strong>Hörspiel</strong>en verschiedener Art häufig wiederkehren -<br />

geläufigstes Beispiel: die »soap opera« - sich durch das <strong>Hörspiel</strong> auf große Gruppen von<br />

Gewohnheitshörern übertragen haben <strong>und</strong> immer wieder übertragen werden. Diese<br />

Möglichkeit, Leitbilder zu erzeugen, fällt ins Gewicht in einer Zeit, die den Prozeß der<br />

Dissoziation stärker zu spüren gibt als die positiven sozialen Prozesse des Zueinander,<br />

Miteinander <strong>und</strong> Füreinander.<br />

Der Programmverantwortliche darf nicht blind sein gegenüber der schon weit<br />

fortgeschrittenen, jede kulturelle Arbeit erschwerenden <strong>und</strong> die Kultur als eine Lebenskraft<br />

selbst in Frage stellenden Auflösung des sozialen Gefüges, die erkennbar wird im<br />

raschen Auf- <strong>und</strong> Abstieg der einzelnen, ganzer Familien <strong>und</strong> Berufsstände, in der<br />

wachsenden Mobilität.<br />

Umgesiedelte <strong>und</strong> zwangsläufig vertriebene Menschen sind übrigens besonders willige<br />

R<strong>und</strong>funkhörer. Sie sind meist auch durch <strong>Hörspiel</strong>e, vor allem durch wirklichkeitsnahe,<br />

ansprechbar. Aller alten Bindungen ledig oder beraubt, finden sie in der irgendwoher <strong>und</strong><br />

überallhin tönenden Stimme ein erstes Orientierungsmittel, wobei es, wie Gruppentests<br />

immer wieder zeigen, gleichgültig ist, ob der Nachrichtensprecher oder der Dichter zu<br />

ihnen spricht. Für den <strong>und</strong>ifferenzierten Menschen ist Wort gleich Wort, Aussage gleich<br />

Aussage. Für ihn kommt es bei jeder Sendung auf das Reale, auf den Wirklichkeitsgehalt<br />

an. Er sucht allein <strong>und</strong> ständig nach Hilfsmitteln, die ihm die Orientierung erleichtern.<br />

246

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!