28.02.2014 Aufrufe

Hörspiel. Form und Funktion.

Hörspiel. Form und Funktion.

Hörspiel. Form und Funktion.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

http://www.mediaculture-online.de<br />

Die hörszenische Reportage<br />

Als Zwischenform zwischen dramatischem <strong>und</strong> epischem Spiel entstand schon im ersten<br />

Jahrzehnt der <strong>Hörspiel</strong>entwicklung die hörszenische Reportage. Sie unterscheidet sich<br />

von der Reportage des Zeitfunks dadurch, daß sie sich nicht an einem »in actu« seienden<br />

realen Vorgang entzündet, sondern ein erf<strong>und</strong>enes Geschehen, das hörszenisch<br />

dargestellt wird, entweder von einem Außenstehenden oder von einem am Spielvorgang<br />

Beteiligten ergänzend schildern <strong>und</strong> kommentieren läßt. Ein frühes Beispiel ist Hermann<br />

KASACKS 1930 geschriebenes Spiel »Stimmen im Kampf«, das heute »Ballwechsel«<br />

heißt <strong>und</strong> einen Reporter den äußeren Ablauf einer Tennispartie beschreiben läßt, von<br />

dem sich als eigentlicher Gegenstand des Spiels zwei nur für die R<strong>und</strong>funkhörer<br />

vernehmbare innere Monologe der beiden Spieler abheben, für die es nicht nur um Sieg<br />

<strong>und</strong> Niederlage im Spiel, sondern um die Gunst einer Frau geht, die sich, unbeeinflußt<br />

vom Ausgang des Spiels, vom Sieger ab <strong>und</strong> dem Verlierer zuwendet, wodurch der Sieg<br />

seinen Sinn verliert.<br />

Die Einführung des Reporters beeinflußt das Tempo des Spiels. Sie gibt dem Hörer das<br />

Gefühl des Dabeiseins <strong>und</strong> gestattet dem Autor raschen Phasenwechsel <strong>und</strong> vor allem<br />

den Übergang zu ergänzenden oder auch zu Parallelhandlungen. Bei dem erwähnten<br />

historischen Spiel kann die Fiktion einer aktuellen Reportage ungemein belebend wirken<br />

<strong>und</strong> selbst ein so breit ausgesponnenes Geschehen, wie Hans KYSER es 1929 in der<br />

großen Gerichtsszene seiner historischen Reportage »Prozeß Sokrates« aufgerollt hat,<br />

wird zur Gegenwart. Ein Reporter leitet das Spiel ein. Er gibt ein ausführliches Stück<br />

»Mauerschau«, schildert das Volk um ihn, seine Hobbies <strong>und</strong> Leidenschaften, seine<br />

Urteilslosigkeit <strong>und</strong> Anfälligkeit für Flüsterparolen <strong>und</strong> Verlockungen zur Korruption. Der<br />

antike Prozeß wird Spiegel <strong>und</strong> Kritik der Gegenwart. Er spitzt sich dramatisch zu <strong>und</strong> die<br />

Rede <strong>und</strong> Gegenrede wird belebt durch reichliche Zwischenrufe des Volkes <strong>und</strong> durch die<br />

Kommentare des Reporters.<br />

Der Reporter kann bisweilen durch den Chor ersetzt werden <strong>und</strong> dieser wird dann in<br />

einzelne Stimmen aufgespalten, deren Gegeneinander ein zusätzliches<br />

Spannungsmoment ergibt wie in Günther WEISENBORNS 1931 urgesendeter<br />

»Chornovelle mit Dialogen für R<strong>und</strong>funk« »Die Reiherjäger« mit ihrem betont<br />

66

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!