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Hörspiel. Form und Funktion.

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dieser Gegenwart, Herausarbeitung ihres aktuell-publizistischeu Gehalts. Was in der<br />

Vergangenheit spielt, soll enthistorisiert werden, damit der Hörer nicht in Verwirrung<br />

gerate. Im Gr<strong>und</strong>e war man damit schon wenige Jahre nach der Eröffnung des deutschen<br />

Unterhaltungsr<strong>und</strong>funks zu Einsichten gelangt, die noch heute gültig sind.<br />

Einige R<strong>und</strong>funkpraktiker möchten das dramatische <strong>Hörspiel</strong> am liebsten ganz aus dem<br />

Spielplan verbannen, in der an sich richtigen Erkenntnis, daß zur eigentlich dramatischtheatralischen<br />

Wirkung das Spannungsfeld der Bühne oder zumindest des Bildschirms<br />

von Film oder Fernsehen gehört, mit ihrer den Augenblick des verklingenden Wortes<br />

überdauernden Bildgegenwart <strong>und</strong> dem körperlichen Mit- <strong>und</strong> Gegeneinander der<br />

Akteure. Sie übersehen aber einen wichtigen Umstand: die Fähigkeit der theater- <strong>und</strong><br />

filmgewohnten Hörer, den akustischen Eindruck kraft ihrer mit Erinnerungsbildern<br />

gesättigten Phantasie nach der schauszenischen Seite hin zu ergänzen <strong>und</strong> als Dramatik<br />

schlechthin zu erleben, was in Wirklichkeit bloße Dialogspannung oder gedanklich auf<br />

Antithetik- gestellte Aussage in konzentrierter oder gehobener <strong>Form</strong> ist. Diese Fähigkeit<br />

beweist immer wieder ein vom Westdeutschen R<strong>und</strong>funk durchgeführter Hörertest. Die<br />

Befragten konnten zum Beispiel im Herbst 1962 aus einem Katalog von 58 klassischen<br />

<strong>und</strong> modernen Bühnenstücken (nicht Originalhörspielen) zwölf Stücke auswählen, die sie<br />

noch einmal hören möchten. Nach Auswertung der Hörerzuschriften mußten nicht nur, wie<br />

geplant, die ersten zwölf, sondern die achtzehn meistgenannten Stücke wiederholt<br />

werden. Unter den bevorzugten Autoren war Goethe dreimal, Shakespeare zweimal <strong>und</strong><br />

Schiller nur einmal vertreten. Barlachs »Sündflut« fand immerhin ein mittelstarkes<br />

Interesse, fast so viel wie Lessings »Minna von Barnhelm«. Viele Hörer dürften ihre Wahl<br />

im Wunsche nach Vertiefung ihrer literarischen Bildung getroffen haben, also im<br />

Sendespiel einen willkommenen Theaterersatz sehen, manchen aber wird der<br />

Unterschied zwischen Bearbeitung <strong>und</strong> Originalspiel gar nicht ins Bewußtsein kommen:<br />

sie brauchen Emotion durch dramatische Spannung <strong>und</strong> nehmen sie, wo immer sie sich<br />

bietet. Daß auch das Originalhörspiel dramatisch <strong>und</strong> zugleich literarisch wertvoll sein<br />

kann, haben Autoren wie Curt LANGENBECK, Erwin WICKERT, Fred von<br />

HOERSCHELMANN <strong>und</strong> andere zur Genüge bewiesen. Vor allem die ländlichen Hörer<br />

machen aber zwischen Original <strong>und</strong> Bearbeitung keinen Unterschied. Sie schauen auf<br />

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