28.02.2014 Aufrufe

Hörspiel. Form und Funktion.

Hörspiel. Form und Funktion.

Hörspiel. Form und Funktion.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

http://www.mediaculture-online.de<br />

»Ich bin die Höhnestraße. Die Häuser sind gräulich (sehr traurig) <strong>und</strong> manche schon schwarz.<br />

Die Hecken sind fort. Das Trottoir ist leer. Die Fenster sind verdunkelt. Ich habe Angst. Das<br />

Radio spielt. Aber es spielt nicht laut genug.«<br />

(Sirenen. Schnitt)<br />

Es ist der Vorzug des <strong>Hörspiel</strong>s, daß es für den Augenblick der Verzauberung seiner<br />

Hörer alles glaubhaft machen kann, was sich in Worte fassen <strong>und</strong> in Beziehung bringen<br />

läßt zu Menschen <strong>und</strong> ihren Schicksalen. Die Höhnestraße hat vieles miterlebt <strong>und</strong> ihr<br />

Bild, das der Krieg verwandelte, hat sich tief in die Erinnerung derer eingeprägt, die in ihr<br />

gewohnt oder gearbeitet haben. So kann ein guter Autor es wagen, ihre Stimme<br />

gleichgewichtig den Stimmen der Menschen, vorab der Hauptfigur seines Spiels, zu<br />

gesellen, mit der wir uns eine Zeitlang identifizieren sollen. Zu dieser Identifikation trägt<br />

auch die Straße bei. Daß sie selber spricht <strong>und</strong> nicht etwa durch einen Erzähler<br />

geschildert wird, daß also ihr Dabeisein <strong>und</strong> ihre Auswirkung aus der Vergangenheit in die<br />

Gegenwart hinübergeholt wird, vertieft <strong>und</strong> verstärkt die Nachvollziehbarkeit der Situation.<br />

Die toten Dinge plaudern munter miteinander, <strong>und</strong> sie können es, wenn deutlich gemacht<br />

wird, wer, oder besser: was jeweils spricht, <strong>und</strong> wenn man dieses Lautgeben aus der<br />

Situation heraus als selbstverständlich empfindet wie et a beim Gespräch zwischen einer<br />

Couch <strong>und</strong> einer Kiste in »Der öst-westliche Diwan« (1954) von Claus HUBALEK oder in<br />

Herbert TJADENS Spiel »Das alte Haus« (1958), wo Teile des Hauses, die Feuerstelle,<br />

Teekanne <strong>und</strong> Schale sprechen, weil sie zum Besitzer des Hauses gehören, <strong>und</strong> zwar in<br />

einem ganz besonderen Sinn, der ihre Verlebendigung aus dem fernöstlichen Milieu <strong>und</strong><br />

aus dem Schicksal des Mannes begreifen läßt.<br />

So wie die Bühne das Spiel im Spiel liebt - im <strong>Hörspiel</strong> kommt es nur vereinzelt vor, so im<br />

»Zöllner Matthaeus« (1962) von Marie Luise KASCHNITZ, wo Schauspieler pathetisch<br />

rezitierend ihren allegorischen Text in feierlichen beschwingten Jamben proben, so baut<br />

der R<strong>und</strong>funk gerne seine eigene Stimme als Funk im Funk in ein <strong>Hörspiel</strong> ein. So hört<br />

man Stimmen aus dem Lautsprecher in Helene SCHMOLLS »Viele Wege führen nach<br />

Korsika« (1948), in Walter OBERERS »Phantastische Fahrt« (1953), in Fred VON<br />

HOERSCHELMANNS »Ich höre Namen« (1954), in »Das Opfer von Treblinka« (1958)<br />

von Helene VON SSANCHO, in Dieter MEICHSNERS »Ein Leben« (1958) <strong>und</strong> im »Strand<br />

der Fremden« (1960) von John REEVES, den der Werbefunk überdröhnt.<br />

181

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!