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Hörspiel. Form und Funktion.

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eingebaut, daß es zu Beginn <strong>und</strong> am Ende des Rollentausches zu realen Begegnungen<br />

zwischen den beiden Frauen kommen kann. Zwischen den eigentlichen<br />

Handlungsphasen erzählt Ellen, was ihr in der Zwischenzeit jeweils geschah. Die Technik<br />

des Spiels »Die Mädchen von Viterbo« (1953),ist sehr einfach: Die Szene zwischen dem<br />

alten Oldenburg <strong>und</strong> seiner Enkelin einerseits <strong>und</strong> dem Lehrer mit seinen Schülerinnen<br />

andererseits sind durch Pausen <strong>und</strong> Akustikwechsel voneinander abgehoben. Hier wie<br />

dort sind Geräusche zur Spannungssteigerung verwendet, Geräusche, auf die der Hörer<br />

als auf Zeichen nahender Gefahr lauscht. Der Wechsel zwischen Kammer<strong>und</strong><br />

Katakombenakustik wird ein einziges Mal unterbrochen durch die raumlose Stimme des<br />

Lehrers Bottari, der sich selbst vorstellt <strong>und</strong> die Situation mit schlichten Worten schildert.<br />

Auch Miodrag DIURDIEVIC arbeitet in seinem Spiel »Die Heimkehr« (deutsch 1959) mit<br />

kontrapunktischer Phasenführung. Eine Zeitlang sind abwechselnd die wartenden Frauen<br />

<strong>und</strong> - Simultanblende! - die heimkehrenden Kriegskameraden im Zuge zu hören.<br />

Die <strong>Form</strong> des Themas mit Variationen hat Arthur SCHNITZLER für das Theater in seinem<br />

»Anatol«-Zyklus <strong>und</strong> im »Reigen« ausgebildet. Eduard REINACHER schrieb etwa 1940<br />

seine »Geschichten vom Heimweh«, eine Hörszenenfolge um Schicksale deutscher<br />

Ausgewanderter für den Auslandsr<strong>und</strong>funk, der Verfasser seinen Zyklus »Erste <strong>und</strong> letzte<br />

Begegnung«. Ungleich reizvoller ist die lyrisch anmutende Ritornellform in Ingeborg<br />

BACHMANNS Spiel »Zikaden« (1955). Eine zyklische <strong>Form</strong>, in der das innere Schicksal<br />

eines Suchenden sich stufenweise erfüllt, indem es ihn hinter den Sinn einer Gruppe<br />

klang-, aber zunächst nicht sinnverwandter Wörter führt, hat Günter Eich in seinem Spiel<br />

»Das Jahr Lazertis« (1954) entwickelt.<br />

Marie Luise KASCHNITZ arbeitet in ihrem <strong>Hörspiel</strong> »Tobias oder das Ende der Angst«<br />

(1961) mit der Wiederholung kleinerer Phasenteile, die auf solche Weise zu sprachlichen<br />

Leitmotiven werden. So beginnt die erste Szene im Hofe des Tobias.<br />

Mutter: Komm jetzt ins Haus, Tobias - hilf mir den Wein umfüllen, der Vater hat Gäste<br />

eingeladen.<br />

Der junge Tobias: Was für Gäste, Mutter?<br />

Mutter: Die Nachbarn.<br />

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