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Kritik von Polemik gr<strong>und</strong>sätzlich frei sein soll. Da Kritik aber Dienst am Publikum ist,<br />
besteht ihre Aufgabe, wie T. S. Eliot sehr einfach formuliert, darin, »das Verständnis der<br />
Literatur« (in unserem Falle also des <strong>Hörspiel</strong>s) »<strong>und</strong> die Freude an ihr zu fördern«. Ihre<br />
negative Aufgabe aber sei, » zu zeigen, woran man sich nicht freuen soll«. Günter Blöcker<br />
ergänzt diese Einsicht durch zwei kurze Sätze, die für den Hörer ebenso Gültigkeit haben<br />
wie für den Leser: »Dichtung ist nicht erklärbar, sie ist nur erfahrbar. Kein Interpret kann<br />
dem Leser die Erfahrung abnehmen.« Er kann nur im Sinne von Jean Pauls<br />
»vermittelnder Kritik« sein Erlebnis mitteilen, soll aber nicht erklären.<br />
Die <strong>Form</strong> eines <strong>Hörspiel</strong>s sollte nur in ihrer organischen Zugehörigkeit zu seinem Inhalt,<br />
als im Idealfall optimales Gefäß dieses Inhalts betrachtet werden. Kein Kritiker unserer<br />
Tage darf dem Autor diktieren wollen, was sein Werk soll, er muß ihn <strong>und</strong> sein Werk<br />
vielmehr fragen, was er will <strong>und</strong> dann darlegen, ob die zur Erreichung seines Zieles<br />
gebrauchten Mittel <strong>und</strong> Ausdrucksformen die richtigen waren, oder ob er sich selbst<br />
überfordert hat.<br />
So wenig der Kritiker mit dem eigenen Wissen, der eigenen Bildung prunken darf, so<br />
wenig soll der Autor beim Hörer ein Wissen voraussetzen, das über eine gewisse eigene<br />
Lebenserfahrung <strong>und</strong> Zeitverb<strong>und</strong>enheit hinausgeht. <strong>Hörspiel</strong>genuß soll kein Bildungs-, er<br />
soll ein Elementarerlebnis sein. Deshalb ist der beste Kritiker nicht der kenntnisreichste,<br />
sondern der erlebnisfähigste, vorausgesetzt, daß er über eine zureichende<br />
Allgemeinbildung, sicheren Instinkt, starkes Einfühlungsvermögen <strong>und</strong> einen guten Stil<br />
verfügt <strong>und</strong> weder welt- noch lebensfremd ist. Man kann die Tätigkeit des Kritikers nicht<br />
einfach reproduktiv nennen. Seine Arbeit ist nur im Informatorischen eine<br />
nachschaffende. Wo die Untersuchung beginnt, wird er schöpferisch, nur nicht dem Leben<br />
gegenüber wie der Dichter, sondern dem zu deutenden Gestaltungsprozeß gegenüber.<br />
Ernst Robert Curtius hat einmal gesagt. » Kritik ist die <strong>Form</strong> der Literatur, deren<br />
Gegenstand die Literatur ist«, <strong>und</strong> Benedetto Croce schrieb sogar: »Die Tätigkeit, die<br />
urteilt, ist wesentlich identisch mit der Tätigkeit, die hervorbringt.« Kritik also ist selbst ein<br />
Stück Literatur mit seinem eigenen Lebensgesetz.<br />
Man beobachtet neuerdings, daß viele Menschen, vor allem die jüngeren Jahrgänge, von<br />
den Massenmedien in erster Linie Orientierung, Lebenshilfe <strong>und</strong> damit Wirklichkeitsnähe<br />
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