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Hörspiel. Form und Funktion.

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Handlungsbedingte Geräusche sind oft vom Autor so geschickt eingebaut <strong>und</strong><br />

vorgeschrieben, daß sie dem Regisseur willkommen sind <strong>und</strong> seine Arbeit erleichtern.<br />

Archibald MAC LEISH verlangt in »Der Fall einer Stadt« (1937) ein Flüstern, das durch die<br />

Menge geht <strong>und</strong> sich langsam verstärkt, später ein Lauterwerden von Gesang <strong>und</strong><br />

Trommeln, um eine Erregungssteigerung anzudeuten, <strong>und</strong> schließlich einen Augenblick<br />

atemlosen Schweigens, in das hinein die leise flüsternde Stimme des Ansagers das eine<br />

Wort »Niemand!« spricht, um nach einer Pause fortzufahren: »Niemand darunter! ...<br />

Keiner!« Es handelt sich durchweg um handlungsbezogene dynamische Akzente, die der<br />

Autor fordert. Im realistischen Dialog (»Nächtliches Gespräch mit einem verachteten<br />

Menschen«, 1951) läßt Friedrich DÜRRENMATT eine Fensterscheibe klirren, einen<br />

Gegenstand zu Boden fallen, einen Schalter knacken <strong>und</strong> eine Vase zersplittern. Mit dem<br />

Klirren setzt bereits der Dialog ein, so daß der Hörer sofort weiß: es ist jemand<br />

eingestiegen <strong>und</strong> hat sich dabei nicht sehr geschickt benommen.<br />

Handlungsgeräuschen kann ein Autor durch entsprechende Plazierung auch<br />

psychologische Bedeutung geben. Im »ersten Intermedium des Chores« in Herbert<br />

ZBIGNIEWS Spiel »Die Höhle des Philosophen( 1955) steht diese Regieanweisung:<br />

1. Chorist: Was gibts Neues in der Stadt?<br />

2. Chorist: Nichts.<br />

3. Chorist: Die Zwiebeln sind teurer geworden.<br />

(Stille, Rollen der Würfel im Spiel)<br />

1. Chorist: Man sagt, es soll Krieg geben...<br />

Albert CAMUS gibt in »Paris schweigt« (1949) sehr ausführliche Regieanweisungen, die<br />

in ihrer Komplexität an die Anweisungen Bernard Shaws erinnern. Charakteristisch ist<br />

diese:<br />

»Ein Konzert in den Tuilerien. Die Soldaten kommen im Gleichschritt anmarschiert. Sie stellen<br />

sich auf. Ankunft des Dirigenten. Fersenknallen. »Achtung!« Klopfen des Taktstocks auf dem<br />

Pult. Schweigen. Vereinzeltes Husten im dünn gesäten Publikum. Und im Kontrast dazu: ein<br />

honigsüßer Walzer.«<br />

197

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