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Hörspiel. Form und Funktion.

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EICHs Festianus, zwischen Himmel <strong>und</strong> Hölle angesiedelt, spricht zum Belial vom Ziel der<br />

Klasse, das nicht erreicht sei, <strong>und</strong> dieser nennt das Unmögliche geringschätzig Lehrstoff<br />

für Klippschulen.<br />

Dorothy SAYERS läßt in ihrem Passionszyklus »Zum König geboren« (1949) Slang<br />

sprechen, um die Hörer an den erhabenen Stoff heranzuführen. Einzig der Franzose<br />

Jacques CONSTANT gibt seinem »General Frédéric« ein klein wenig sprachliches<br />

Zeitkolorit, das freilich nur dem gebildeten Hörer etwas besagt.<br />

In »Jasons letzte Nacht« (1962) von Marie Luise KASCHNITZ singen die Gefährten<br />

Jasons, die auf die Halbinsel verschlagen wurden, ein Kirchenlied: »Maria, Stern der<br />

Meere ... «, bevor sie ihre Tempelschändung begehen. Der Dialog ist bis auf ein paar<br />

bewußt eingestreute Modernismen zeitlos gehalten.<br />

Die Zurückhaltung der <strong>Hörspiel</strong>autoren gegenüber dem Stil einzelner geschichtlicher<br />

Epochen zugunsten weitgehender Aktualisierung historischer Stoffe entspricht dem<br />

publizistischen Charakter des R<strong>und</strong>funks, der gerade auch im <strong>Hörspiel</strong> mit seinem<br />

Publikum ins Gespräch kommen will. Dieses Publikum hat durch den R<strong>und</strong>funk gelernt,<br />

Ohrenzeuge eines gegenwärtigen Geschehens zu sein, was manche Praktiker dazu<br />

geführt hat, den Hörbericht über das <strong>Hörspiel</strong>, die Dokumentation über die mehr oder<br />

weniger freie Erfindung zu stellen, weil der Bedarf an Orientierung <strong>und</strong> der<br />

Tatsachenhunger der Vielen schwerer wiege als ihre Lust an der Fiktion.<br />

Ungleich wichtiger für die Dramaturgie des <strong>Hörspiel</strong>s ist aber die Zeit als Dauer eines<br />

erdachten äußeren oder inneren Geschehens.<br />

Die tatsächliche Spieldauer des einstudierten Werkes begegnet uns als zweite<br />

Erscheinungsform der Zeit. Sie ist dem Autor von der Programmleitung in der Regel<br />

vorgegeben <strong>und</strong> entspricht der nur wenig Spielraum lassenden Plazierung des Spiels im<br />

Ablauf des Tagesprogramms.<br />

Nicht identisch mit der Spieldauer ist die psychologische Zeit, <strong>und</strong> zwar zunächst des<br />

Autors, dann der Produktion, die mit anderen Zeitmaßen arbeiten kann (<strong>und</strong> meist auch<br />

wird) als denen, die sich der Verfasser des Spiels gedacht hat, <strong>und</strong> schließlich der<br />

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