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künstlerischen, sondern einem sittlichen Postulat <strong>und</strong> stellt so den Gegenpol zum l'art<br />
pour l'art-Prinzip dar. Es bedient sich aber der künstlerischen Mittel zur<br />
Wirkungssteigerung, weil Schau- <strong>und</strong> Hörbühne einen höheren Rang einnehmen als das<br />
Tribunal. Der Überzeugung, daß es barbarisch sei, nach Auschwitz noch Lyrik zu<br />
schreiben <strong>und</strong> daß es sinnlos sei zu leben, wenn es Menschen gebe, die schlagen, bis<br />
die Knochen im Leib zerbrechen, stellt der engagierte Schriftsteller seinen wie auch<br />
immer gearteten <strong>und</strong> begründeten Lebenswillen entgegen, den er auf andere übertragen<br />
will, bekämpfend <strong>und</strong> erkämpfend, je nachdem.<br />
In seinem Aufsatz »<strong>Hörspiel</strong> als Zeitkritik« sagt Paul HÜHNERFELD von H.<br />
EISENREICHS Spiel »Wovon wir leben <strong>und</strong> woran wir sterben« (1956), es habe den<br />
Hörer genau vor den Abgr<strong>und</strong> gestellt, vor den er ihn bringen wollte, an den Abgr<strong>und</strong><br />
unserer eigenen, introvertierten Endlichkeit.<br />
Der engagierte Autor findet mehr Resonanz als der seismographische Typ oder der<br />
Nihilist. Ein so bedeutender Dramatiker wie der Amerikaner Arthur MILLER hat sein<br />
Manifest zum Welttheatertag 1963 überschrieben: »Es ist Zeit für ein Theater des<br />
Willens.« Der einzige, ziemlich beachtliche Unterschied zwischen der von ihm geforderten<br />
<strong>und</strong> der gestrigen Dramatik besteht für ihn darin, »daß es nicht der einzelne Held ist,<br />
sondern daß wir es sind, die eine Lösung finden oder sterben müssen. Es ist die größte<br />
Ironie, daß wir, die wir uns in der Gewalt erbarmungsloser, zerstörerischer Kräfte fühlen,<br />
das nicht finden können, was wir immer von unseren tragischen Helden erwartet haben,<br />
einen Aspekt der Versöhnung, ein Moment der Hinnahme, wenngleich nicht der<br />
Resignation, eine Sek<strong>und</strong>e, in der wir erkennen, daß die Ursachen nicht in unseren<br />
Sternen, sondern in uns selbst liegen.« Miller weist darauf hin, daß die Welt zwar heute so<br />
gespalten ist wie noch nie, daß aber die Kunst <strong>und</strong> besonders das Theater ganz klar<br />
demonstrieren, daß ihre tiefere Identität universal ist, weil eben das Menschengeschlecht<br />
bei aller Verschiedenheit der Kulturen <strong>und</strong> Traditionen eins ist. Diese letzte innere Einheit<br />
aber scheint uns die große Chance des R<strong>und</strong>funks <strong>und</strong> insbesondere des <strong>Hörspiel</strong>s zu<br />
sein.<br />
Freilich läßt die engagierte Haltung auch eine bittere Auslegung zu, wie sie Theodor W.<br />
ADORNO in einer R<strong>und</strong>funksendung ausgesprochen hat: An dem auch der Völkermord in<br />
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