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Hörspiel. Form und Funktion.

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ausnutzbare Desorientierung an die Stelle der räumlichen Orientierung. Das Licht<br />

verwandelt es in Klangcharaktere, die Farben <strong>und</strong> <strong>Form</strong>en müssen umgeschmolzen<br />

werden in die durch das Wort ausgelösten Stimmungswerte, die knapp dosierte Stille<br />

zwischen den Worten oder auch die Andeutung eines oftmals rhythmisierten Geräusches,<br />

wenn nicht ein musikalisches Motiv einen Gefühlswert steigern hilft, ausklingen läßt oder<br />

noch eine Weile zum Nachschwingen bringt. Die Ausstrahlung des Spielers geht nur im<br />

seltenen Idealfall in seine Sprechweise, in das Timbre seiner Stimme, in die Intensität<br />

seiner Gestaltung ein. Die Spannung des sichtbaren Zusammenspiels wird abgelöst durch<br />

eine dialogische Spannung mit wesentlich kleineren Spannungsbögen. Die Verkleinerung<br />

soll nach Möglichkeit Intensivierung bedeuten, wobei die Regie sich darüber klar sein<br />

muß, daß das <strong>Hörspiel</strong> sich dimensional zum Schauspiel verhält wie ein Kupferstich zu<br />

einem Gemälde: es meint den Einzelbetrachter <strong>und</strong> nicht den Museumsbesucher. Der<br />

<strong>Hörspiel</strong>er muß die Gestaltungs- <strong>und</strong> Erlebniseinheit Wort- Gebärde seinem in Millionen<br />

einzelne aufgespaltenen Publikum so überzeugend suggerieren können, daß die<br />

Aussagekraft seiner im Spiel sich äußernden Totalerscheinung für die nachschaffende<br />

Phantasie aus dem rein akustischen Eindrucksbündel gewonnen werden kann. Zäsuren<br />

sind beim <strong>Hörspiel</strong> gefährlich. An ihre Stelle treten, Zeit- <strong>und</strong> Raumsprünge eliminierend,<br />

Blende, Schnitt <strong>und</strong> Montage. Für den Direktkontakt zwischen Rufer <strong>und</strong> Hörer, der zum<br />

Theatererlebnis gehört, gibt es kein Äquivalent. Die Verlegung ihres Zwiegesprächs ins<br />

Innere des Hörers führt zu einem veränderten Erlebnis, das deshalb freilich kein minder<br />

intensives zu sein braucht.<br />

Die neuerliche Tendenz der Schaubühne zum Einakter, die mit Strindberg begann <strong>und</strong><br />

den Verzicht auf einen in Akte gegliederten, symphonisch sich steigernden<br />

Bühnenvorgang bek<strong>und</strong>et, entspricht dem für das <strong>Hörspiel</strong> gebotenen Verzicht auf solche<br />

Gliederung. Weil das blendenreiche Spiel, auf mehreren Wirklichkeitsebenen von sechzig<br />

bis neunzig Minuten Dauer die Aufnahmefähigkeit vieler an sich Aufnahmewilliger<br />

übersteigt, findet sich darüber hinaus neuerdings mehr <strong>und</strong> mehr die Tendenz zum<br />

Kurzhörspiel als der unmittelbaren Entsprechung des Einakters, zum Zweifigurenspiel mit<br />

<strong>und</strong> ohne Blende, <strong>und</strong> auch zum Monolog, den Hermann KESSER, einst schon für das<br />

<strong>Hörspiel</strong> entdeckt hat. In Coeteaus dramatischem Monolog »Geliebte Stimme« treffen<br />

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