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Hörspiel. Form und Funktion.

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bewußt sind <strong>und</strong> gerne von ihm befreit werden möchten. Einsichtige Autoren aber, denen<br />

die Empfangssituation des Hörers übrigens entgegenkommt, wenden sich schon nicht<br />

mehr an eine anonyme Kollektivität, <strong>und</strong> selbst Bertolt Brecht spricht im R<strong>und</strong>funk wie im<br />

Theater die Urteilskraft des einzelnen an, auch wenn dieser einzelne den Sinn seines<br />

Daseins nach seiner ideologisch f<strong>und</strong>ierten Überzeugung sich nur im Kollektiv, in der<br />

konstruierten Gemeinschaft erfüllen kann. Freilich bedenkt er nicht, wie groß eines jeden<br />

»Vorbelastung« ist <strong>und</strong> daß er zu Menschen spricht - auch heute noch -, die sich nur zum<br />

allerkleinsten Teil ihrer Zugehörigkeit zu einer solchen Gemeinschaft bewußt sind <strong>und</strong><br />

daraus Kraft gewinnen können.<br />

Wohl fließen im Leben jedes einzelnen ererbte, aus dem Leben des eigenen Volkes <strong>und</strong><br />

seinen Fernkontakten tradierte Substanzen <strong>und</strong> Tendenzen mit elementaren Regungen<br />

zusammen, aber meist setzt sich das Eigengesetzliche <strong>und</strong> als solches vielleicht<br />

Zukunftsträchtige nicht stark genug durch gegenüber dem Gewordenen <strong>und</strong> dem<br />

konventionell Erstarrten. Dem zu begegnen, haben befähigte Dramatiker <strong>und</strong> auch<br />

<strong>Hörspiel</strong>autoren die Weltspiegelung durch Weltdeutung mit dem Appell: »Entscheide dich!<br />

Von dir ist die Rede!« ersetzt. Das strukturlose Publikum, das von unseren Kulturinstituten<br />

<strong>und</strong> Massenkommunikationsmitteln eigenmächtigen, aber meist unüberlegten,<br />

verantwortungsarmen Gebrauch macht, hat das Empfinden für die Feierlichkeit des<br />

Vermittlungsaktes beim Theater großenteils eingebüßt <strong>und</strong> dem reinen Hörerlebnis<br />

gegenüber nie besessen. Die Zweckfreiheit des Gebotenen wird zur Sinnentleertheit. Die<br />

Mehrzahl der Zufallshörer <strong>und</strong> -zuschauer läßt sich nur vom Stofflichen, wenn überhaupt,<br />

ansprechen. Die Generation, die sich in den zwanziger Jahren durch eine Thematik<br />

»engagieren« ließ, die auch zur ersten Blüte des <strong>Hörspiel</strong>s beigetragen hat, ist nicht mehr<br />

repräsentativ. Sie nahm, quer durch die Bevölkerung, noch teil an der leidenschaftlichen<br />

Zeitkritik, die die Spalten der großen Zeitungen <strong>und</strong> Zeitschriften, die Spielpläne der<br />

Bühnen <strong>und</strong> die Programme des R<strong>und</strong>funks füllte <strong>und</strong> ergänzt wurde durch Appelle, die<br />

den »neuen Menschen« priesen <strong>und</strong> als erreichbares Nahziel proklamierten. Sie war<br />

fortschrittsgläubig weit über den Rahmen des Technisch-Wirtschaftlichen hinaus. Heute<br />

gibt es keine Theaterskandale mehr um Themen wie Humanität <strong>und</strong> Fortschritt, Recht <strong>und</strong><br />

Moral, Gesellschaftslüge <strong>und</strong> Gesellschaftsreform, Weltrevolution <strong>und</strong> Weltfrieden. Das<br />

<strong>Hörspiel</strong> hat die Gemüter immer nur in Ausnahmefällen so stark erregt wie ein zeitnahes<br />

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