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Hörspiel. Form und Funktion.

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Dieser Umstand ist vielen R<strong>und</strong>funkschaffenden <strong>und</strong> besonders den Dichtern unter ihren<br />

Mitarbeitern nicht genügend gegenwärtig. Sie verlassen sich noch zu sehr auf die<br />

demoskopisch erfaßte Ja- <strong>und</strong> Neinreaktion <strong>und</strong> machen sich zu wenig Gedanken<br />

darüber, wie sich die Schicht- <strong>und</strong> Umweltbestimmtheit neben den genotypischen<br />

Determinanten, die dem R<strong>und</strong>funk, immer verschlossen bleiben müssen, auf Urteils- <strong>und</strong><br />

Erlebnisform der einzelnen, aber auch ganzer Hörergruppen auswirkt.<br />

Die Schichten führen zur Bildung von »Gesellungseinheiten«. Sie homogenisieren,<br />

uniformieren, sozialisieren, integrieren <strong>und</strong> differenzieren den einzelnen, weisen ihm<br />

seine Rolle in der Gruppe zu, die seine Reaktion auf Umwelteindrücke mitbestimmt, <strong>und</strong><br />

schließlich tragen sie bei zur Institutionalisierung <strong>und</strong> Professionalisierung unseres<br />

Lebens.<br />

Diese Kennzeichen des »verwalteten« Menschen sind Rufern <strong>und</strong> Hörern gemeinsam.<br />

Sie bedingen einander zum Teil, sie durchkreuzen sie auch.<br />

Die Desintegrationsprozesse führen zum Kulturmosaik, zu einem Eklektizismus, der alle<br />

Kulturbestandteile ihrer Wurzeln beraubt. Alle möglichen Verbände <strong>und</strong> Gruppen, von der<br />

Politischen Partei bis zum geistlichen Orden, schirmen sich ab gegen das Einströmen<br />

fremder Kulturelemente <strong>und</strong> sind bemüht um die Schaffung neuer Traditionen. Meist<br />

fühlen sich solche Vereinigungen als Eliten <strong>und</strong> bewerten die eigene Gruppe höher als<br />

andere. Diese Haltung reicht von der Schulklasse bis zur Nation mit ihrer Geneigtheit,<br />

fremde Völker in Stereotypen zu sehen. Das <strong>Hörspiel</strong> des Dritten Reiches, soweit es von<br />

oben her gelenkt war, stand im Dienste solcher Stereotypenbildung.<br />

Es ist nun aber nicht etwa so, daß im einzelnen <strong>und</strong> in der Gruppe nur der jeweils<br />

gruppengültige soziale Idealtypus lebendig wäre. Es wirken vielmehr in jedem von uns, ob<br />

er es weiß <strong>und</strong> wahrhaben will oder nicht, verschiedene ältere Typen nach, denn er <strong>und</strong><br />

seine Gruppen bleiben, in unterschiedlicher Stärke <strong>und</strong> Deutlichkeit, kulturell mehrer-en<br />

Epochen verpflichtet, teils durch Vererbung, teils auf dem Wege des Bildungserlebnisses.<br />

Allen diesen Nachwirkungen <strong>und</strong> ständig neuen Einwirkungen zum Trotz behauptet sich<br />

aber im denkfähigen, einer eigenen Urteilsbildung mächtigen Menschen unserer Tage<br />

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