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Ionesco anstrebt <strong>und</strong> die eine bewußte Reduktion des Menschlichen bedeutet, wie sie<br />
schon Pirandello durch Aufdecken der Persönlichkeitsschichten <strong>und</strong> Bewußtmachung von<br />
Maske <strong>und</strong> Gesicht eingeleitet hat. »Wenn es dem modernen Drama an Helden mangelt«,<br />
schreibt Melchinger, »so kommt das daher, daß es nicht mehr imstande ist, Menschen<br />
durch Menschlichkeit oder Schicksal zu Helden zu machen.« Vielleicht aber ist die<br />
Akzentverlagerung auf das Rätselhafte der innermenschlichen Situation, dem wir vor<br />
allem im neueren <strong>Hörspiel</strong> auf Schritt <strong>und</strong> Tritt begegnen, aber auch ein zwangsläufiges<br />
Geschehen, ein unerläßlicher Versuch, zu einer Bilanz zu kommen, bevor eine neue<br />
Rechnung aufgemacht wird. Gewiß, die Abschaffung des Helden <strong>und</strong> des Gegenspielers<br />
vermindert die Spannung, deren Wesen die Polarität ist, aber gerade das <strong>Hörspiel</strong> hat ja<br />
gezeigt, daß es eine Polarität gibt, die keines Gegenspielers bedarf, weil sie sich ins<br />
Innere der gleichsam durchleuchteten Person zurückgezogen hat. Die Schaubühne mag,<br />
vom Illusionismus befreit, der Gegenwirklichkeit wieder zustreben, die von Aischylos bis<br />
Molière die Szene beherrscht hat, bis dann das Theater als moralische Anstalt das<br />
Programm an die Stelle des Widerspruchs setzte; das <strong>Hörspiel</strong> kann darin nie so ganz<br />
Schritt halten, weil die Beschränkung auf die akustischen Ausdrucksmittel unter Führung<br />
des Wortes für Eros <strong>und</strong> Mimus keine volle Entsprechung gewinnen läßt. Leichter hat es<br />
die Funkoper mit ihrer größeren Distanz zum Rationalen gegenüber dem Spiel mit oder<br />
gar nur aus Worten.<br />
Der <strong>Form</strong>zerfall des Theaterstücks als Konsequenz der aus den Fugen geratenen Welt<br />
trifft das im <strong>Form</strong>at so viel kleinere, strukturell einfachere <strong>Hörspiel</strong> nur am Rande, zumal<br />
es nur selten starke dramatische Erschütterungen auslösen kann <strong>und</strong> meist nur<br />
nachdenklich stimmen, zur Frage oder zum Widerspruch reizen, bisweilen auch zu einem<br />
stummen ja ermuntern will. Der allgemeine Verlust des Pathos aber ist für den Hörfunk<br />
eher ein Gewinn, weil es, auf das isolierte Wort reduziert, an Überzeugungskraft einbüßt.<br />
Was vom Zerfall als Zeiterscheinung bleibt, ist fürs <strong>Hörspiel</strong> die fraglich gewordene Welt<br />
der ehemals gültigen Werte <strong>und</strong> die Ersetzung des Resultats durch die Frage, die alles<br />
offen läßt.<br />
Wenn man mit Schauspielern spricht, so sind vor allem die jungen voller Zuversicht im<br />
Hinblick auf die neu erwachte Spielfreudigkeit einiger Autoren <strong>und</strong> Regisseure. Diese<br />
Spielfreudigkeit kommt freilich der Bühne, dem Film <strong>und</strong> dem Fernsehen mehr zugute als<br />
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