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Ausscheiden aus der deutschen R<strong>und</strong>funkarbeit, zur Ursendung seines »Straßenrondo«<br />
schreiben:<br />
»Der Begriff <strong>Hörspiel</strong> gestattet jedem, alles, was er will oder kann, darunter zu verstehen. Daher<br />
die siebenjährige <strong>und</strong> nicht sehr ergebnisreiche Auseinandersetzung. Ist <strong>Hörspiel</strong> das hörbar<br />
gemachte Schauspiel? Die Übersetzung des Seelendramas ins Akustische, wodurch es<br />
Leibeserbe der attischen Tragödie würde? Muß es vor dem Mikrophon spielen wie das<br />
Schauspiel vor dem Parkett? Muß es überhaupt spielen? Oder ist es Zeitung, die statt<br />
Buchstaben Stimmen in die Ohren der Hörer drückt? Vermittelt es Erkenntnisse? Dient es der<br />
Belehrung <strong>und</strong> zugleich der Unterhaltung? Waren Lindberghflug - Leben in dieser Zeit - Magnet<br />
Pol - Wetterkantate - Räuberhauptmann Kokosch <strong>Hörspiel</strong>e? Man sendet unter Stimmen<br />
aufgeteilte Aufsätze, hymnische Selbstgespräche, überlegte <strong>und</strong> festgelegte Streitgespräche,<br />
Anrufungen der Elemente, Balladen, Fragegespräche, Auftritte, Hörberichte, Lyriken, Urk<strong>und</strong>en,<br />
Zeugnisse, Belehrungen <strong>und</strong> Traumdichtungen ... das alles gibt es, <strong>und</strong> es gibt niemanden, der<br />
behaupten kann, ein einziger dieser Bestandteile sei für das <strong>Hörspiel</strong> verboten.«<br />
Schirokauer spannte den Bogen weiter als alle anderen, aber er überspannte ihn: ein<br />
großer Teil dessen, was er in absichtlich loser Folge dem Sammelbegriff <strong>Hörspiel</strong><br />
unterordnet, gehört der anderen, gleichwertigen r<strong>und</strong>funkeigenen Darbietungsform zu, die<br />
der Wirklichkeitserschließung, bald mit, bald ohne dichterische Überhöhung, Vertiefung,<br />
Umdeutung oder Symbolisierung dient <strong>und</strong> heute Feature oder Dokumentarsendung<br />
genannt wird, vor dreißig Jahren aber als Hörfolge in Bischoffs, als Querschnitt <strong>und</strong> Aufriß<br />
in Koeppens Definition oder auch schon schlicht als Bericht in den Programmen<br />
auftauchte. Er selbst hat nie ein ausgesprochenes <strong>Hörspiel</strong> um innere oder auch äußere<br />
Schicksale von einzelnen oder Gruppen geschrieben. Wenn Pongs ihn in seiner<br />
Darstellung ausführlich behandelt, dann wohl deshalb, weil auch der Aufriß <strong>und</strong> das<br />
Funkoratorium in ihren besten Beispielen Spielformen sind. An anderer Stelle schreibt<br />
Schirokauer: »Der Abhörer des Spiels ist nicht teilhabender Zuschauer, er ist nicht<br />
hineinversetzt, sondern gegenübergesetzt, distanziert <strong>und</strong> zu Objektivierungen<br />
gezwungen. Man kann nicht an seine Gefühlswelt, sondern nur an seine Verstandeswelt<br />
appellieren. Nicht Empfindungen können also Triebfeder der Handlung sein. Es kann<br />
überhaupt keine fortlaufende, wachsende Spannung gewinnende Handlung geben,<br />
sondern nur ein Thema, das in zyklischen Szenen, in deutlich abgegrenzten Spruchteilen<br />
sich entwickelt. Die ›Hörmontage‹ zieht nicht hinein, sondern zieht ›fazit‹ ..., verbreitet<br />
keinen Dunst, sondern Kühle, bildet keine Charaktere, sondern Gr<strong>und</strong>sätze, denn sie hat<br />
keine Personen, denen etwas zustößt, sondern Sprecher, die selbst zustoßen, nicht als<br />
Opfer entwickelter Gefühle, sondern als Analytiker gegebener Situationen. Die Anordnung<br />
der Szenen im Spiel ist nicht kausal <strong>und</strong> nicht gottgewollt, sondern montiert. - Die<br />
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