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Hörspiel. Form und Funktion.

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Sie ist dort ein wichtiges kompositorisches Element, wo Stimmungswerte eine Rolle<br />

spielen.<br />

In seinem <strong>Hörspiel</strong> aus dem Jahre 1949 »Die Nacht, die dem Siege voranging«, fügt<br />

Walter BAUER in einen langen Monolog des Fremden die Regieanweisung ein: »Man hört<br />

das Geräusch, mit dem der Mann sich die Zigarette anzündet. Man hört die Stille. Er sitzt<br />

wie im Herzen der Stille.« Eine harte Nuß für den Regisseur.<br />

Die raumlose Stille kann zwischen zwei Phasen liegen. Das akustische Nichts, die völlige<br />

Leere trennt. Sie hat den Charakter einer Pause. Diese Pause ist nicht technisch bedingt<br />

wie viele Pausen beim Theater, sie ist ein Bestandteil der Dramaturgie. Der Geist des<br />

dichterischen Vollzugs hält den Atem an, der Hörer soll das gleiche tun. Ihn erfüllt das<br />

totale Schweigen mit banger Erwartung. Bisweilen - es kommt auf die eben vernommene<br />

Phase an wird auch seine Neugier geweckt. Denn die geschlossene Blende kündigt einen<br />

Einschnitt an, im Gegensatz zur Überblendung in eine andere Raumakustik. Gerade weil<br />

das Spielgeschehen ein lückenloser Prozeß ist, wirkt die Pause als etwas Besonderes.<br />

Sie alarmiert, steht im Gegensatz zum eigentlichen Spiel, gibt ihm aber zugleich<br />

verschärfte Kontur.<br />

Das <strong>Hörspiel</strong> in sieben Gesprächen »Regen in der Nacht« (1947) von Hans Christian<br />

BRANNER fügt einen Augenblick der Totenstille nach einem lauten, grellen Telefonläuten<br />

ein, das auch die Musik, die dem Dialogspiel unterlegt ist, zum Schweigen bringt. Nach<br />

alter Sitte, die leider generell preisgegeben wurde, schafft ein Gong die Zäsur zwischen je<br />

zwei Gesprächen. »Das Brausen des Regens dauert auch in der Pause an.« Die Stille hat<br />

hier also eine dramatische <strong>Funktion</strong>.<br />

Nicht anders ist es in dem Spiel »Philemon <strong>und</strong> Baucis« (1960) von Leopold AHLSEN, wo<br />

bedrohte Menschen bang in die Stille hineinlauschen, bis ein ferner Schuß schreckliche<br />

Gewißheit bringt.<br />

Walter Erich SCHÄFER baut in seinen Monolog »Die Himmelfahrt des Physikers M. N.«<br />

drei Pausen ein, in denen der Hörer sich mit dem Monologisten überlegen soll, ob die von<br />

ihm erreichte Stelle das Ende, der Tod ist. Hier baut die Pause eine Brücke zum Hörer.<br />

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