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Hörspiel. Form und Funktion.

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An vierter Stelle sei der dialogische Autorentyp genannt, dem es auf Auseinandersetzung<br />

zwischen gegensätzlichen Gr<strong>und</strong>haltungen ankommt. Er kann sich bis zu einem gewissen<br />

Grade mit dem außengelenkten Typ des Gestalters von Handlungsspielen decken, der<br />

eigenem oder fremdem Umwelterlebnis mit all seinen Spannungsmomenten seine<br />

Gestaltungsimpulse verdankt. In seiner reinsten <strong>Form</strong> aber ist er sowenig ein Dramatiker<br />

wie der Monologist, sondern ein Mensch, der gedankliche Klärung <strong>und</strong><br />

Erkenntniserweiterung sucht durch Kontrastierung zweier gegensätzlicher Haltungen oder<br />

Handlungsweisen, von denen oft die eine seine eigene ist, die er einer Zerreißprüfung<br />

durch Gegenargumente aussetzt. Dieser Vorgang spiegelt am klarsten das spielferne,<br />

aber wegen seiner Eigenschaft als freie, bisweilen sogar zweckfreie Gestaltung dennoch<br />

zum <strong>Hörspiel</strong> gerechnete »erdachte Gespräch«. Wir begegnen ihm aber auch in<br />

Dialogspielen, zwischen Eheleuten etwa oder zwischen Alt <strong>und</strong> jung, <strong>und</strong> besonders im<br />

Konversationsstück, zwischen Vertretern verschiedener Weltanschauungen,<br />

Gesellschaftsschichten <strong>und</strong> Reaktionsweisen auf ein gemeinsames Schicksal. Solche<br />

Spiele enthüllen im Gespräch ein Stück zurückliegendes, aber noch in die Gegenwart<br />

hineinwirkendes Geschehen, das beide Gesprächspartner verbindet oder einander<br />

entfremdet. Dialoge ähnlicher Art können aber auch integrierende Bestandteile<br />

polyphoner <strong>und</strong> vielgliedriger Spiele sein, Kulminationspunkte eines zugleich inneren <strong>und</strong><br />

äußeren Geschehens, das nicht um seiner selbst willen gezeigt wird, sondern nur als Weg<br />

oder Irrweg zur Gewinnung von Positionen der Kontrahenten, Positionen, zwischen denen<br />

der Hörerschaft die Wahl gelassen wird, oder Positionen, von denen eine als die gültige<br />

vom Autor verbindlich gemacht wird.<br />

Gute Beispiele für den Typus der Auseinandersetzung zwischen zwei Welten sind Fred<br />

von HOERSCHELMANNS Spiel »Das Schiff Esperanza« (1953) <strong>und</strong> Günter EICHS<br />

»Festianus Märtyrer« (1958) <strong>und</strong> des Meisters eines Zweifigurenspiels, Wolfgang<br />

HILDESHEIMERS »Unter der Erde« (1962). Auch »Das Interview« (1962) von Robert<br />

PINGET gehört hierher.<br />

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