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Hörspiel. Form und Funktion.

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Anders liegen die Dinge beim Handlungsspiel, in dem Einzelschicksale im Miteinander<br />

<strong>und</strong> Gegeneinander dargestellt werden. Eine interessante Lösung fand Kateb YACINE für<br />

sein Spiel »Der umzingelte Leichnam« (1954/ 1955, deutsch erst 1963)- »Le cadavre<br />

encerclé«, wie das Spiel des Algeriers in der Originalfassung heißt, vereinigt szenische,<br />

filmische <strong>und</strong> funkische Elemente, lyrische, epische <strong>und</strong> dramatische Partien, die sich<br />

sprachlich ebenso scharf voneinander abheben wie in ihrer dramaturgischen <strong>Funktion</strong>.<br />

Das gleiche gilt natürlich für die Stimmen als Träger dieser unterschiedlichen Partien. An<br />

der eigentlichen Spielhandlung, die nüchtern-sachlich wie ein dramatisierter<br />

Tatsachenbericht gehalten ist, sind nur sechs Personen beteiligt. Weitere zwölf bringen<br />

lediglich Stichworte oder sie greifen kurz in das Geschehen ein, als unpersönlich<br />

handelnde <strong>Funktion</strong>äre. Ein Chor beschränkt sich auf plakativ formulierte Aussagen, die<br />

sich nur vereinzelt ins Lyrische ausweiten, an dem auch der Protagonist <strong>und</strong> eine Frau<br />

beteiligt sind, jedoch mit Äußerungen, die die Handlung nicht vorwärts treiben, sondern<br />

die Situation, vor allem die innere, notvolle <strong>und</strong> ausweglose, ausleuchten. Wo aber<br />

dramatisches Geschehen aus der breiten Erzählung sich löst, sind nie mehr als drei oder<br />

vier Betroffene miteinander <strong>und</strong> mit ihrem Schicksal im dialogischen <strong>und</strong> im<br />

monologischen Gespräch.<br />

Ganz konsequent auf dialogische Wirkung ohne alle Zutaten bedacht ist der Japaner Ima<br />

HARUBE. »Die Frau auf dem Wandschirm« (1952, deutsch 1953). Personen sind im<br />

Spiel. jede Phase des Spiels ist ein Zwiegespräch, bei dem jeder, auch in der<br />

Übersetzung von Manfred Hubricht <strong>und</strong> Bernhard Rübenach, seine eigene Sprache<br />

spricht, so daß die an sich lyrisch gestaltete Situation zu dramatischen Kontrasten<br />

geschichtet wird, die sich aus der akustischen Spannung zwischen Stimm-, Sprach- <strong>und</strong><br />

Temperamentsebenen ergeben.<br />

Beim reinen Stimmenspiel kommt es überhaupt nicht auf die Zahl der Stimmen an,<br />

sondern einzig auf klangliche <strong>und</strong> rhythmische Gegensätze, die schon im Text erkennbar<br />

sein, durch Besetzung <strong>und</strong> Einstudierung aber deutlich herausgearbeitet werden müssen.<br />

Diese <strong>Form</strong> ist freilich noch kaum versucht worden. Selbst Wolfgang WEYRAUCH kommt<br />

in seinem Wir-Spiel »Die japanischen Fischer« (1955) nicht ganz ohne eine profilierte<br />

Gestalt aus, dem Sususli, der aber Mitbetroffener <strong>und</strong> Erzähler zugleich ist. In<br />

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