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einzelnen Schauplätze an, fügte die Gestalt eines Rahmensprechers ein, der optische<br />
Erscheinungen <strong>und</strong> Vorgänge als Reporter verdeutlichte, schuf kleine Übergänge,<br />
milderte Akteinschnitte oder tilgte sie völlig, kürzte <strong>und</strong> stellte ganze Szenen um <strong>und</strong><br />
wagte sogar die Verschmelzung mehrerer Nebenpersonen in eine. Arnolt BRONNEN ist<br />
schon in seiner »Wallenstein«-Bearbeitung sogar so weit gegangen, daß, er seinem<br />
Berichterstatter die Sprache Schillers in den M<strong>und</strong> legte, während andere Bearbeiter ihre<br />
Zutaten stilistisch streng von dem Werk abhoben, das auf seine akustische<br />
Darstellungskomponente zurückzuführen war.<br />
Die <strong>Hörspiel</strong>autoren haben auch noch in den ersten Jahren der dritten deutschen<br />
R<strong>und</strong>funkepoche immer wieder nach bühnendramatischen Vorlagen gegriffen. Dennoch<br />
ist man schon früh davon abgekommen, die Gattungsbezeichnungen vom Theater zu<br />
übernehmen. Die Gr<strong>und</strong>haltungen des sakralen, rationalen, idealistischen, romantischen,<br />
realistischen, naturalistischen, symbolistischen oder irrealen Theaters hat man bewahrt.<br />
Kaum mehr gebraucht werden die Begriffe Tragödie, Komödie (bei der die sichtbare<br />
Situation meist eine große Rolle spielt), Schauspiel (als Zwischenform von Trauer- <strong>und</strong><br />
Lustspiel), Konversationsstück (als zeitgeb<strong>und</strong>ene Gattung des neunzehnten <strong>und</strong> frühen<br />
zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts) oder Tragikomödie. Der Sinngehalt dieser Begriffe hat sich<br />
aber, vor allem im dramatischen <strong>Hörspiel</strong> <strong>und</strong> mit dem Akzent auf dem Inhalt bei<br />
entsprechend abgewandelter <strong>Form</strong>, durchaus erhalten. So wurde von der Tragödie die<br />
Erkenntnis übernommen, daß es Handlungsträger gibt, deren Konflikt mit der sittlichen<br />
Weltordnung oder heute den herrschenden Ideologien, Gruppenidolen, Standesprinzipien<br />
<strong>und</strong> normgewordenen Vorurteilen nicht zu lösen ist, so daß es zu ihrem äußeren oder<br />
inneren Zusammenbruch kommt. Dabei hat das analytische Drama (»Oedipus«,<br />
»Gespenster«) mehr Schule gemacht als das Zieldrama mit seiner breiten aufwendigen,<br />
vielgliedrigen <strong>Form</strong>.<br />
Ganz allgemein ist die Tragik mit einer Erhabenheit verb<strong>und</strong>en, die der Intimität des<br />
häuslichen R<strong>und</strong>funkempfangs widerstrebt <strong>und</strong> nur bei ganz überragenden Interpreten<br />
wie etwa der unvergessenen Hermine KÖRNER auch vor dem Mikrophon noch das<br />
Pathos antiker <strong>und</strong> klassischer Deklamationskunst vertretbar erscheinen läßt.<br />
Übernommen <strong>und</strong> abgewandelt werden kann vom aristotelischen Modell die in sich<br />
geschlossene Handlung, der bedeutende Inhalt, die vorgegebene Spieldauer, die<br />
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