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Hörspiel. Form und Funktion.

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»Ihre Brüste sind ganz nah über seinem Gesicht wie reife Früchte voller Verdammnis für ihn. Er<br />

steht da wie versteinert. Sie sieht, wie er weiß wird, geisterbleich in der grünen Dämmerung.<br />

Sein Blick, angsterfüllt, treibt ihr die Scham ins Gesicht, zwingt sie zu jener uralten Geste der<br />

Schamhaftigkeit: sie legt die Hände über der Brust zusammen. Auch sie steht da wie<br />

angewurzelt. «<br />

Eine Mischung aus Monolog <strong>und</strong> Erzählung füllt auch weite Strecken des Spiels »Der<br />

Minotaurus« von Dieter WELLERSHOFF. Da stehen Sätze wie diese: »Sie wird nicht<br />

weinen - Sie akzeptierte den Ausdruck ›Das Unerwünschte‹. Also bitte, klipp <strong>und</strong> klar: Das<br />

Unerwünschte!« neben erzählenden Partien des Rückerinnerns.<br />

»Damals kannte ich eine Dame, die war ein Rebhuhn <strong>und</strong> hielt sich für eine Lerche, wollte<br />

aufsteigen, wollte immer was Leichtes, bring mir was Leichtes aus der Leihbücherei.«<br />

Walter JENS läßt im »Ahasver« Dialogblöcke mit Berichten des Erzählers alternieren, die<br />

aber meist mit einem »Lassowurf« nach dem Hörerinteresse beginnen, damit die<br />

Spannung nicht erlahme:<br />

»Aber Albrecht gab die Hoffnung nicht auf.« »Zwei Tage später wußte ich, daß mein Fre<strong>und</strong> in.<br />

Sicherheit war«, »Wann kommen die Deutschen? - das war die brennende Frage«, »Lautlos<br />

verließen die Juden das Lager« <strong>und</strong> anderes mehr.<br />

Armin P. Frank unterscheidet objektive <strong>und</strong> subjektive Epik: er war - ich war. Beide<br />

<strong>Form</strong>en haben aber die Wesenszüge des Epischen gemeinsam, nur lotet die subjektive<br />

<strong>Form</strong> tiefer ins Innere der Menschenseele <strong>und</strong> nähert sich damit dem inneren Monolog,<br />

von dem an anderer Stelle die Rede sein wird.<br />

Das lyrische <strong>Hörspiel</strong><br />

Das lyrische <strong>Hörspiel</strong> hebt aus den Tiefen der Erinnerung in Stimmungen <strong>und</strong><br />

unterschwellige Erfahrungen Aufgelöstes in das Halbdunkel zwischen Traum, Ahnung <strong>und</strong><br />

Tiefenschau empor. Es lag nahe, daß Alfred Braun in der Frühzeit des <strong>Hörspiel</strong>s, nach<br />

seinen Versuchen, Theater- oder Filmersatz zu bieten, nach Hugo von Hofmannsthals<br />

»Kleinen Dramen« griff, die wie für den R<strong>und</strong>funk geschrieben sind, Musik der Worte,<br />

Stimmen des einsamen Ich, Selbstgespräche der Seele im Zustand äußerster<br />

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