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Begleiterscheinung des dichterischen Schaffens sein, lassen sich aber nicht eindeutig <strong>und</strong><br />
unmißverständlich in den akustischen Produktionsprozeß im Studio einbauen. Das Studio<br />
färbt das Wort, aber es lokalisiert es nicht. Auf dem Wege vorn Mikrophon zum häuslichen<br />
Lautsprecher erfährt die Klangqualität nochmals eine Änderung <strong>und</strong> durch die<br />
Eigenakustik des Raums, in dem das Empfangsgerät steht, eine dritte. So bleibt für den<br />
Hörer unverändert nur der Sinngehalt der Worte, Geräusche <strong>und</strong> musikalischen<br />
Bestandteile des Spiels. Sein Aufenthaltsraum vermittelt kein dem Spielgeschehen<br />
zugeordnetes Raumerlebnis, wohl aber stellen sich, nach Hörerindividualitäten<br />
verschieden, bald vage, bald konkrete Raumvorstellungen ein, die ausschließlich von der<br />
- rein akustischen - Darbietung assoziativ oder spontan ausgelöst werden.<br />
Da keine der Raumvorstellungen <strong>und</strong> Raumwirklichkeiten, die zwischen der Niederschrift<br />
eines <strong>Hörspiel</strong>s <strong>und</strong> seinem Empfang liegen, integrierender Bestandteil eines<br />
Spielerlebnisses zu sein brauchen, da also genaue Raumvorstellungen nicht vermittelt<br />
werden, in denen die Raumbegrenzung, das Licht über den Menschen <strong>und</strong> Dingen <strong>und</strong><br />
deren Körperhaftigkeit <strong>und</strong> handlungsgeb<strong>und</strong>ene Bewegung im Raum, zu- <strong>und</strong><br />
voneinander weg, konstitutive Elemente wären, wird das ideale <strong>Hörspiel</strong> raumlos sein. Als<br />
Beispiele nennen wir W. E. SCHÄFERs Ghandi-Spiel, EICHS »Festianus Märtyrer« <strong>und</strong><br />
HIRCHES »seltsamste Liebesgeschichte der Welt«. Das Zeitgeb<strong>und</strong>ene kennt nur das<br />
Nacheinander, also Bewegung. Die meisten <strong>Hörspiel</strong>dichter aber, auch die geborenen<br />
Lyriker unter ihnen, kommen nur ausnahmsweise ohne Raumvorstellung aus. Diese<br />
Vorstellung aber kennt nichts dem Bühnenbild Ähnliches, nichts als Hintergr<strong>und</strong> oder<br />
Spielebene Bleibendes, denn Wort, Ton <strong>und</strong> Geräusch sind zeitgeb<strong>und</strong>en. Wo aber<br />
Bewegung im Raum an die Stelle des bühnenmäßigen Wechsels der Szenerie tritt, liegt<br />
der Akzent auf der Bewegung, also einem Vorgang in der Zeit, der sich im sprachlichen<br />
Ablauf spiegelt wie - wohl erstmals ganz konsequent bei Hermann KESSERS »Schwester<br />
Henriette« (1929).<br />
Ein Raumerlebnis freilich vermittelt jede R<strong>und</strong>funk-Sendung: das der verkleinerten Distanz<br />
zu den Sprechern. Zwischen den Schauspielern auf der Bühne <strong>und</strong> den Zuschauern im<br />
Parterre <strong>und</strong> auf den Rängen tut sich eine Kluft auf, die das Proszenium noch<br />
unterstreicht. Der Sendungsvorgang verfremdet zwar auch, aber nicht durch sichtbare<br />
räumliche Distanz, sondern durch die Zwischenschaltung der technischen<br />
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