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dann <strong>und</strong> wann überschritten, was zur Folge hat, daß eine bereits bestehende<br />
Vertrauenskrise zwischen Teilen der Hörerschaft <strong>und</strong> einigen Avantgardisten unter den<br />
Programmverantwortlichen noch vergrößert wird.<br />
Uns will scheinen, daß, wie man nach unten oft zu große <strong>und</strong> gefährliche Zugeständnisse<br />
macht, im schmalen Programmteil für die wenigen aber - ganz oben - bisweilen mit Mitteln<br />
<strong>und</strong> <strong>Form</strong>en experimentiert wird, die keinen Hörer mehr erreichen, wie dies bei einer 1959<br />
von Köln veröffentlichten Schallplatte »FA: M. AHJEGWOW« der Fall ist, die umfänglicher<br />
Erläuterungen bedarf, um als das begriffen zu werden, was sie sein will.<br />
Der R<strong>und</strong>funk hat es, so verlockend seine technischen Möglichkeiten sind, doch immer<br />
mit dem Menschen zu tun, auf der Sender- wie auf der Empfängerseite. Er sollte weder<br />
die Geister <strong>und</strong> Gemüter durch sinnlose <strong>und</strong> zweideutige Plärrereien aus dem Repertoire<br />
einer skrupellosen Vergnügungsindustrie, noch durch atomisierte <strong>und</strong> denaturierte, dem<br />
Urerzeuger Mensch mit technischen Kniffen entfremdete Laute abstumpfen, verwirren <strong>und</strong><br />
in ihrer lebendigen Substanz schädigen.<br />
Daß man den Menschen nahe bleiben <strong>und</strong> doch neue Wege gehen kann, zeigt uns eine<br />
stattliche Anzahl von Dramen <strong>und</strong> <strong>Hörspiel</strong>en der letzten Jahrzehnte <strong>und</strong> ebenso<br />
Analysen, die Kenner der Materie wie Margret DIETRICH, Siegfried MELCHINGER, André<br />
Espiau de la MAISTRE <strong>und</strong> Martin ESSLIN den Dramatikern zwischen BRECHT <strong>und</strong><br />
IONESCO, zwischen dem Verfremdungstheater mit Lehrstückcharakter <strong>und</strong> dem<br />
absurden Theater gewidmet haben. Daß bei den besten <strong>und</strong> reifsten unter den<br />
avantgardistischen Dramatikern ein hohes Maß von Verantwortungsbewußtsein<br />
gegenüber dem Menschen zu finden ist, möge ein Zitat aus Eugène IONESCOS Essay<br />
»Das Avantgarde-Theater« bezeugen:<br />
»Während die meisten Schriftsteller, Künstler, Denker sich einbilden, in ihrer Zeit zu stehen, hat<br />
der rebellische Autor den Eindruck, gegen seine Zeit zu stehen. In Wirklichkeit vermählen sich<br />
Denker, Künstler <strong>und</strong> Persönlichkeiten aller Art nach einer gewissen Zeit nur noch mit<br />
verkalkten <strong>Form</strong>en: sie haben den Eindruck, sich mehr <strong>und</strong> mehr solide in eine beliebige<br />
ideologische, künstlerische, soziale Ordnung einzufügen, die ihnen aktuell vorkommt, die aber<br />
schon zerrüttet ist, Spaltungen hat, die sie nicht vermuten. Allein durch die Kraft der Dinge an<br />
sich ist eine Herrschaft, sobald sie etabliert ist, tatsächlich schon überholt. Eine gesagte Sache<br />
ist schon tot, die Wirklichkeit ist über sie hinaus. Sie ist ein erstarrter Gedanke. Eine Redensart -<br />
also eine Seinsart - die zugelassen ist, ist schon unzulässig. Der Mann der Avantgarde ist wie<br />
ein erbitterter Feind im Herzen der Stadt, die er sprengen will, gegen die er sich erhebt, denn<br />
ganz wie eine Herrschaft etabliert auch eine Ausdrucksform eine <strong>Form</strong> des Druckes. Der Mann<br />
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