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Sprache kann aber nicht nur die Aufgabe haben, menschliche Existenz aufzuhellen oder<br />
in Konflikten zu zeigen, sie kann auch ein Jenseitiges erahnbar machen, indem sie jede<br />
Bezugnahme auf irdisch Bedingtes vermeidet <strong>und</strong> als Sprachrohr des Unbedingten der<br />
sakralen Musik sich nähert. Das Wort kann bei solchem Bemühen jeden konkreten Inhalt<br />
verlieren <strong>und</strong> Geheimzeichen, Chiffre werden für das nur noch Ahnbare. Hier tut sich für<br />
die Zukunft noch ein weites Feld auf, vor allem für die Lyriker unter den <strong>Hörspiel</strong>dichtern.<br />
Eine Grenze setzt dem Dichter <strong>und</strong> seinem Regisseur die körper-seelische<br />
Beschaffenheit der zur Verfügung stehenden Sprecher. IONESCO stört auf der Bühne die<br />
körperliche Erscheinung der Schauspieler, die seiner Vorstellung von den<br />
selbstgeschaffenen Figuren nie ganz entsprechen können. Der aufmerksame Hörer kann<br />
aber auch schon durch die sprachliche Leistung der Mikrophonsprecher ernüchtert<br />
werden. Nur wenigen gelingt es, das eigene Naturell, die landschaftliche Färbung ihrer<br />
Hochsprache, die Grenzen ihres Weltbildes <strong>und</strong> ihres Einfühlungsvermögens dem Hörer<br />
zu verbergen. Das gilt nicht nur für den Wiener, der den Kottwitz oder für den Pommern,<br />
der den Götz spielt, das gilt für alle weltzugewandten Realisten, denen die Umstellung<br />
vom Konservationston oder von der nüchternen Sprache des Kriminalspiels auf die völlig<br />
andere sprachliche Gr<strong>und</strong>haltung der Parabelspieler einfach nicht gelingen kann, weil sie<br />
kein Organ haben für das, was jenseits des dem Mirnus verpflichteten Teils der<br />
Bühnendramatik liegt.<br />
Der R<strong>und</strong>funk verlangt für seine neueren <strong>Hörspiel</strong>formen eine Reihe neuer<br />
Sprechertypen, die ihm die Schaubühne nicht zur Verfügung stellen kann. Das Wort ohne<br />
Leib ist ein anderes Wort als das von einem Schauspieler gesprochene. Solange wir<br />
keine Schulen für die künstlerische R<strong>und</strong>funksprache haben, bleibt alles der zufälligen<br />
Besetzung <strong>und</strong> dem Einfühlungsvermögen des einzelnen Regisseurs überlassen. Kann<br />
er, jeweils am richtigen Ort, typisieren, individualisieren, verfremden, rhythmisieren, durch<br />
Tempowechsel zwischen den Phasen Spannung schaffen oder entspannen, kann er, mit<br />
Hilfe des Autors, sprachliches Zeit-, Milieu-, Situationskolorit geben, um den Hörer hier zu<br />
aktivieren, dort zu erbauen oder nachdenklich zu stimmen, auf der höchsten Ebene aber<br />
teilhaben zu lassen an der Verwandlung durch ein wirkliches Kunstwerk?<br />
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