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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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<strong>Wer</strong>k <strong>der</strong> Ordnung anvertraut“ o<strong>der</strong> Verantwortung für an<strong>der</strong>e gibt, denn „Nichts<br />

verbindet den Menschen so sehr mit <strong>der</strong> sittlichen Ordnung, als wenn er etwas für sie<br />

tun muß.“ (Foerster 1914: 382)<br />

Sobald Jugendliche an <strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Ordnung mitwirken und daran ihren<br />

Beteiligungsdrang und Organisationstrieb befriedigen dürfen, zeigen sie starkes<br />

Interesse an <strong>der</strong> Aufrechterhaltung dieser Ordnung und betreiben das<br />

Ordnungshüten als eine Art Sport, sehen sie ihr Handeln selbstloser von einem<br />

„höheren Standpunkt“ <strong>aus</strong>. Der Schulschwindel wird so reduziert<br />

(Pfuschen, Abschreiben) und die moralische Wirkung <strong>der</strong> Strafen, die jetzt<br />

von <strong>der</strong> öffentlichen Meinung mitgetragen werden, steigt.<br />

Die öffentliche Meinung wirkt nun für den Lehrer und für Ordnung und Ehre,<br />

nicht dagegen wie bisher. Damit wird die Disziplinierung großer Klassen<br />

vereinfacht, und gleichzeitig bieten sich viele Gelegenheiten zum Üben <strong>der</strong><br />

Selbstbeherrschung, des freiwilligen Gehorsams und des Befehlens (Foerster<br />

1953: 305 ff.).<br />

Auch die den Jugendlichen „anvertraute“ Ordnung wird nach dem bekannten<br />

indirekten Verfahren gesteuert: Die öffentliche Meinung steuert das Verhalten<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, und „die öffentliche Meinung gestattet keine Wi<strong>der</strong>setzlichkeiten<br />

gegen ihre Verordnungen.“ (Foerster 1953: 300)<br />

Der Erzieher steuert neben <strong>der</strong> individuellen Moral auch die öffentliche<br />

Meinung, im Prinzip mit denselben moralisierenden und suggestiven Methoden.<br />

Der Lehrer verbündet sich mit <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> „besseren Elemente“ <strong>der</strong><br />

Klasse gegen die Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> „revolutionären“ und „schlimmeren Elemente“<br />

(Foerster 1914: 344).<br />

So sichert er seinen Wünschen die Majorität <strong>der</strong> Klasse, <strong>der</strong>en Meinungsdruck<br />

und Mißbilligung die Oppositionellen zu Wohlverhalten und schließlich<br />

Anpassung bewegen. Falls die Mehrheit ihre „Freiheit mißbraucht“, kann<br />

diese auch problemlos wie<strong>der</strong> entzogen werden.<br />

Das System <strong>der</strong> von den Kin<strong>der</strong>n selbst gewählten Ordnungsüberwachungs-<br />

Beamten unterstützt und entlastet den Lehrer von subalternen Tätigkeiten und<br />

unangenehmen (Straf-) Aufgaben und verbessert so das Erzieher-Kind-<br />

Verhältnis. Die Beamten sind stark zur Nachahmung des Erziehers motiviert<br />

(Foerster 1953: 306) und genießen - da frei gewählt - größere Autorität als<br />

ernannte Aufpasser. Sie kennen ihre Mitschüler auch besser als <strong>der</strong> Lehrer,<br />

vor ihnen kann kaum etwas verheimlicht werden, daher reicht ihre Macht<br />

weiter. Foerster (1953: 299) erwägt, sie „gegen Zotenwesen, Onanie,<br />

schlechte Lektüre“ einzusetzen.<br />

„Das Entscheidende aber ist, daß das System <strong>der</strong> Selbstregierung die Schuldigen mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger isoliert, während beim autokratischen System die Klasse fast immer<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger mit den Übeltätern solidarisch ist - eben weil <strong>der</strong> Lehrer<br />

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