09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Um die Waisen für die Siedlung in Palästina vorzubereiten und zu befähigen,<br />

plante eine Gruppe um Bernfeld die Zusammenlegung aller jüdischen Fürsorgeeinrichtungen<br />

zu einer riesigen, produktionsorientierten, sich selbst versorgenden<br />

freien jüdischen Schulsiedlung für mehrere t<strong>aus</strong>end Personen. Auf<br />

einem großen Gut sollten Landwirtschaft, industrielle und gewerbliche Lehrwerkstätten<br />

und Schulen zu einem neuen Ganzen integriert werden.<br />

Bürgerliche Juden - die Geldgeber - standen einer Finanzierung <strong>der</strong> Wohlfahrtseinrichtungen<br />

durch steuerartige Abgaben statt durch milde Wohltätigkeit<br />

ablehnend gegenüber, sie witterten (zu Recht!) den Sozialismus. Bernfeld<br />

spekulierte darauf, daß man eine so große und bedeutende Einrichtung nicht<br />

mehr einfach <strong>aus</strong> Geldmangel hätte schließen können, daß die Mittel dafür<br />

dann notgedrungen auch durch Besteuerung <strong>der</strong> wohlhaben<strong>der</strong>en Juden aufgebracht<br />

worden wären.<br />

Neben Handarbeit und jüdischer Kultur ging es Bernfeld vor allem um die<br />

Erziehung einer freien und wehrhaften Jugend mit starkem Gemeinschaftsgeist:<br />

selbstbewußt, gesund, aktiv, selbständig und kameradschaftlich. Dies<br />

Ziel sollte durch weitreichende Selbstregierung mit Hilfe einer ernsthaften<br />

Schulgemeinde- Verfassung erreicht werden.<br />

Alle drei zentralen Punkte Bernfelds waren aber durch<strong>aus</strong> umstritten:<br />

– Die traditionswidrige - aber zur Siedlung nötige - Erziehung zum Handarbeiter<br />

erschien vielen orthodoxen Juden als eben die Assimilation, die sie<br />

vermeiden wollten.<br />

– Das Joint wollte zwar die Siedlung in Palästina und also auch die Schulsiedlung<br />

zur Vorbereitung, aber an<strong>der</strong>s als Bernfeld, nämlich strikt geführt<br />

von <strong>der</strong> durch<strong>aus</strong> hierarchischen zionistischen Partei, und nicht selbstregiert.<br />

Eine freiheitliche, kulturelle Erziehung galt in <strong>der</strong> zionistischen Partei vorerst<br />

als zweitrangig gegenüber dem disziplinierten politischen <strong>Kamp</strong>f unter<br />

Führung <strong>der</strong> Partei481 . Der neue Mensch sollte nach ihrer Auffassung erst<br />

nach <strong>der</strong> politischen Befreiung in <strong>der</strong> freien Gesellschaft erzogen werden,<br />

eine freie Erziehung wurde auf die Zukunft verschoben.<br />

Bernfeld hielt dagegen, daß die neue Gesellschaft nur durch neue, d. h.<br />

neuartig erzogene Menschen geschaffen werden könne. An<strong>der</strong>nfalls würde<br />

die alte anerzogene psychologische Struktur und Ideologie genau das,<br />

was man politisch beseitigen wollte, verewigen: Egoismus, Machtgier und<br />

Herrschergelüste. Das traditionelle Erziehungswesen würde weiterhin<br />

481 Ein ganz ähnlicher Streit wurde übrigens etwas später auch allgemein in <strong>der</strong> sozialistischen<br />

Bewegung geführt, etwa zwischen den sozialdemokratischen Falken und <strong>der</strong> KPD-<br />

Jugend (bzw. ihren Führungen).<br />

453

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!