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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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für ihn Moralerziehung, und auch die Staatspolitik reduzierte er auf individuelle<br />

Ethik 70 .<br />

Friedrich Wilhelm Foerster war eine äußerst schillernde Persönlichkeit, die<br />

stets und konsequent extreme Positionen vertrat, eine Mischung <strong>aus</strong> Reaktionär<br />

und Revolutionär, die am ehesten noch in paradoxen Formulierungen beschrieben<br />

werden kann. Sein Lebensweg 71 ist entsprechend tragisch:<br />

70 Er geriet in die Politik durch die Anwendung seiner sittlichen Grundsätze auf zwischenstaatliche<br />

Politik, die For<strong>der</strong>ung nach einer moralischen Rechtsgrundlage <strong>der</strong> Politik und<br />

nach einer Wie<strong>der</strong>versöhnung <strong>der</strong> politischen Macht mit <strong>der</strong> im Gewissen verankerten<br />

Sittlichkeit. Die Ethik führte ihn auch zum Engagement in <strong>der</strong> pazifistischen Bewegung,<br />

in <strong>der</strong> er eine führende Stellung einnahm (Mitgrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Deutschen Friedensgesellschaft).<br />

Vgl. die Kritik Rothermels (1994) an Foersters Umschwenken vom Militaristen<br />

zum Pazifisten sowie an seinem nur ethischen, unpolitischen Pazifismus.<br />

71 Am 2.6.1869 geboren, wuchs er freidenkerisch auf. Er promovierte in Philosophie über<br />

die Ethik Kants und stand durch seinen Vater <strong>der</strong> Bewegung Ethische Kultur nahe, <strong>der</strong>en<br />

Zeitschrift er 1895 - 1898 leitete. 1895 kritisiert er dort scharf die Sedanrede, in <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Kaiser die Sozialdemokraten als vaterlandslose Gesellen bezeichnet hatte. Aufgrund <strong>der</strong><br />

dreimonatigen Festungshaft wegen Kaiserbeleidigung konnte er sich an keiner deutschen<br />

Universität habilitieren.<br />

Er übersiedelte 1896 nach Zürich, wo er habilitierte und als Philosophieprofessor lehrte.<br />

Seine Gesuche auf Erweiterung <strong>der</strong> Lehrbefugnis auf die Pädagogik wurden 1900, 1904<br />

und 1911 wegen seiner katholisierenden Tendenz abgelehnt. Daraufhin übernahm er<br />

1912 eine Philosophieprofessur in Wien und ab 1914 (endlich) den Lehrstuhl für Philosophie<br />

und Pädagogik (!) an <strong>der</strong> Universität München (bis 1920).<br />

Er profilierte sich nach dem Krieg als scharfer und sehr aktiver Gegner von Krieg, Militarismus<br />

und Nationalismus und geriet deswegen in ernste Schwierigkeiten (Boykott,<br />

Morddrohungen). Auch weltanschaulich wurde er von allen Seiten angegriffen: von Freidenkern<br />

wegen seiner katholischen Haltung, von Protestanten wegen seiner Kritik an<br />

Luthers allzu loser Ehe- und Zölibatsauffassung, von Teilen <strong>der</strong> Katholiken wegen feiner<br />

Abweichungen in Fragen <strong>der</strong> Gottessohnschaft, Erbsünde und Gnadenlehre, und weil er<br />

von positivistischen Philosophen beeinflusst sei. Auch seine Kritik an <strong>der</strong> Vatikanischen<br />

Außenpolitik mag mitgespielt haben.<br />

1918 ernannte ihn die revolutionäre Regierung Kurt Eisner (mit dem er zusammenarbeitete!)<br />

zum bayrischen Gesandten in Bern, <strong>der</strong> schweizerische Bundesrat verweigerte ihm<br />

jedoch die Anerkennung. 1920 mußte er schließlich <strong>aus</strong> politischen Gründen die Universität<br />

München verlassen und lebte seitdem im Exil (Schweiz, Frankreich, Portugal,<br />

1942 - 1964 in New York).<br />

Foerster war schon lange vor <strong>der</strong> Machtergreifung ein entschiedener Gegner <strong>der</strong> Nationalsozialisten.<br />

„Unter <strong>der</strong> Nazi-Herrschaft war Foerster <strong>der</strong> Erste, <strong>der</strong> <strong>aus</strong>gebürgert wurde<br />

und dessen Bücher verbrannt wurden, die in über einer halben Million Exemplaren in<br />

Deutschland verbreitet waren.“ (Meyer 1955 :10) Seine Schriften wurden als einige <strong>der</strong><br />

allerersten verboten und verbrannt.<br />

1948 o<strong>der</strong> 1949 (wi<strong>der</strong>sprüchliche Angaben) wurde er zum Ehrendoktor <strong>der</strong> Universität<br />

Leipzig ernannt. Am 29.7.1951 wurde nach bereits dreijähriger Tätigkeit die Friedrich-<br />

Wilhelm-Foerster-Gesellschaft gegründet (zu Lebzeiten!), die viele seiner <strong>Wer</strong>ke neu her<strong>aus</strong>gab<br />

und eigene Mitteilungen veröffentlichte. Ende 1953 erschien Foersters Autobiographie<br />

Erlebte Weltgeschichte (Nürnberg: Glock und Lutz). Er starb am 9.1.1966 in<br />

Zürich.<br />

Literatur: Pöggeler (1957, 1990), Pöggeler und Arntz (1955), darin auch Meyer (1955),<br />

sowie Artikel über Foerster in: Lexikon <strong>der</strong> Pädagogik. Bern: Francke 1952; Lexikon <strong>der</strong><br />

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