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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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streng verboten, doch in großer Entfernung hat selbst <strong>der</strong> Polizeiminister (für<br />

Harmonie und Zusammenarbeit) <strong>nichts</strong> dagegen.<br />

Alle beteiligten sich an <strong>der</strong> Flexibilisierung <strong>der</strong> Besitzverhältnisse, niemanden<br />

außer dem jeweiligen Vorbesitzer schien dies zu stören. Durch die Ideologie<br />

(keine festen Besitzverhältnisse, alles gehört den Kin<strong>der</strong>n und darf von<br />

ihnen genommen werden) leidlich gerechtfertigt, bedienen sich diejenigen,<br />

die die Möglichkeit dazu haben, privat in den Magazinen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>stadt. Einem<br />

gelang sogar die Anfertigung eines Nachschlüssels für die Küche - er<br />

verkaufte seitdem Lebensmittel.<br />

Hierarchien o<strong>der</strong> Privilegien <strong>der</strong> Regierungsmitglie<strong>der</strong> kann es in <strong>der</strong> ideal<br />

egalitären Gemeinschaft theoretisch nicht geben. Regierungsmitglie<strong>der</strong>, die<br />

ihr Amt ernstnehmen, opfern tatsächlich ihre gesamte Freizeit. Doch wenige<br />

sind bereit, Verantwortung zu tragen, und diese sind überlastet und entlasten<br />

sich auf ihre Weise.<br />

Die Regierungsmitglie<strong>der</strong> bilden die Elite und demonstrieren dies durch<br />

her<strong>aus</strong>genommene Privilegien: Sie können Anordnungen geben und kontrollieren,<br />

an die sie sich selbst nicht halten. Sie bestehen etwa darauf, daß um<br />

8. 00 Uhr aufgestanden wird und nach 8. 30 Uhr kein Frühstück mehr <strong>aus</strong>gegeben<br />

wird, stehen aber selbst erst um 9. 00 Uhr auf und frühstücken dann ganz<br />

privat und reichlich beim Einkaufsminister, o<strong>der</strong> regieren bis zum Mittag vom<br />

Bett <strong>aus</strong> (regieren wird als Arbeit anerkannt!), ignorieren ihre turnusmäßigen<br />

Servier- und Reinigungspflichten o<strong>der</strong> fahren mit den bempostaeigenen Autos<br />

spazieren.<br />

Das Volk ist zwar gelegentlich über die Privilegien empört, würde sich in<br />

gleicher Situation aber ebenso verhalten, hat nur lei<strong>der</strong> nicht die Möglichkeiten<br />

dazu und bedient sich also bei den Kameraden. Allgemein wird wie<br />

selbstverständlich gestohlen. Wenn ein stadtbekannter Gauner sich in Richtung<br />

Schlafgebäude aufmacht, kann es vorkommen, daß <strong>der</strong> Unterricht zusammenbricht.<br />

„Täglich wird in Bemposta geklaut. Das fängt beim Kugelschreiber an, geht über<br />

Glühbirnen <strong>aus</strong> den Schulzimmern und hört bei Barschaften auf. Ricardo, <strong>der</strong> Pfarrer<br />

und Lateinlehrer, führt das ganze auf fehlenden Respekt vor <strong>nichts</strong> und niemandem<br />

zurück.“ (Poschkamp u. Schny<strong>der</strong> 1985: 86)<br />

In <strong>der</strong> Bibliothek wird deshalb jeden Abend die Glühbirne her<strong>aus</strong>geschraubt,<br />

damit nicht jemand das Fenster einschlägt und sie für den eigenen Schlafraum<br />

stiehlt.<br />

„Wann immer gewisse Leute unserer Bude einen Besuch abstatteten, fehlte anschließend<br />

etwas: Schampoodose, Rasierzeug, Tonbandkassetten. Seit kurzem haben wir<br />

wie<strong>der</strong> eine zweite Glühbirne auf unserer Bude. Becerro hat sie besorgt, wahrscheinlich<br />

im Schulh<strong>aus</strong>. John, <strong>der</strong> neu bei uns eingezogen ist, hat einen Besen als Mitgift<br />

mitgebracht. Mir scheint, daß <strong>der</strong> selbe Besen früher in <strong>der</strong> Bibliothek ge-<br />

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