Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

abgeurteilt, schwerste Strafe war zweitägiger Arrest, zu dem der Verurteilte
unbeaufsichtigt ins nächste Staatsgefängnis geschickt wurde.
Schließlich soll es sogar häufiger vorgekommen sein, daß Jugendliche
Kriminalität nur vorgaben, um aufgenommen zu werden.
„Bis auf wenige Lehrer und Vorarbeiter sind in der Kommune nur die Mitglieder und
Kandidaten der Kommune tätig. Sie bilden aus ihrer Mitte ein Direktorium und ein
Inspektorium, dem die Leitung sowohl der Betriebe als auch der inneren Organisation
der ganzen Kolonie obliegt. Sie wählen ferner eine eigene Kommission zur Heranziehung
der Neuen zum Leben in der Kommune.“ (Fenichel 1931: 528)
„im Betrieb herrscht das gleiche Selbstverwaltungssystem, wie in den Betrieben der
ganzen Sowjetunion. Es bestand ein Dreier-Direktorium, das von der Belegschaft gewählt
worden war und eine Institution aus der Belegschaft, die über die Funktionen
des Direktoriums zu wachen hatte.“ (Reich 1971: 224 - 225)
„Die Kommune ‚Bolschewo‘ darf uns als Musterbeispiel der auf dem Prinzip der
Selbstverwaltung und der unautoritären Umstrukturierung beruhenden Erziehung jugendlicher
Verbrecher gelten. Leider blieben derartige Kommunen vereinzelte Institutionen
und aus uneinsichtigen Gründen wurde das gleiche Prinzip in den folgenden
Jahren nicht mehr angewendet. Das beweisen Berichte aus dem Jahr 1935“ (Reich
1971: 226).
20.4.3. Andere Einrichtungen
Mehnert (1932; 1967) und darauf aufbauend Reich (1971: 215 - 335) berichteten
auch über andere sowjetische Jugendkommunen, die aber eher Wohngemeinschaften
als Heime waren und deshalb hier nicht behandelt werden
sollen. Doch es gab viele weitere wirkliche Kinder- oder Jugendkolonien,
insbesondere in der Ukraine. Zu einigen davon finden sich in der Literatur
auch (meist ungenaue) Hinweise 502 .
502 Zur Kinderrepublik Torchok auf der Krim vgl. das Kapitel 22.5.2.
Eine Ljubercyer Kommune in der Nähe von Moskau war das eigentliche Vorbild für
den Makarenko-Film „Weg ins Leben“ (vgl. Dunstan 1984: 69.)
Makarenko (1970: 422) erwähnt, daß die Gorki-Kolonie gelegentlich mit der Korolenko-
Kolonie und mit einer Schewtschenko-Kolonie verwechselt wurde.
Maxim Gorki beschreibt mit 8 Zeilen neben den Kolonien Makarenkos eine Bakuer
Kolonie:
„Die Bakuer Kolonie beherbergt fünfhundert Zöglinge in zwei alleinstehenden Gebäuden
außerhalb der Stadt, auf grauer trockener Erde, zwischen Hügeln, die die Sonne ausgedörrt
hat. Sie ist unlängst gegründet und befindet sich noch im Aufbau, aber die Kinder
träumen bereits davon, einen zoologischen Garten anzulegen, und diese kleinen braungebrannten
Menschen arbeiten fröhlich und eifrig wie die Ameisen. Die Kolonie ist der
Leitung eines Mannes unterstellt, der in seine Arbeit ebenso leidenschaftlich verliebt ist
wie A. S. Makarenko.“ (Gorki 1967: 54 f.)
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