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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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18.3.5.4. Freuds pessimistisches Menschen- und Gesellschaftsbild<br />

Die Kritik 420 an Freud ist vor allem die Kritik seines pessimistischen Menschen-<br />

und Gesellschaftsbildes. Unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges<br />

hatte Freud 1920 einen angeborenen Aggressionstrieb und später einen Todestrieb<br />

postuliert, eine angeborene primäre Feindseligkeit des Menschen,<br />

und hatte Leiden und Leidenmachen demgemäß als unumgängliche Qualitäten<br />

menschlicher Existenz angesehen. Der natürliche Todestrieb sollte durch eine<br />

konservativ-hierarchische (durch<strong>aus</strong> autoritäre) Gesellschaft unterdrückt werden.<br />

Dem entsprach Freuds Vorstellung einer<br />

„angeborenen und nicht zu beseitigenden Ungleichheit <strong>der</strong> Menschen, daß sie in Führer<br />

und Abhängige zerfallen. Die letzteren sind die übergroße Mehrheit, sie bedürfen<br />

einer Autorität, welche für sie Entscheidungen fällt“ (Freud G. W. 16: 24; zitiert nach<br />

Schmidt-Herrmann 1987: 58).<br />

Freud betonte die Bedeutung von Triebeinschränkung und Triebbeherrschung<br />

und distanzierte sich 1933 in <strong>der</strong> neuen Folge <strong>der</strong> Vorlesungen zur<br />

Einführung in die Psychoanalyse <strong>aus</strong>drücklich von antiautoritären Erziehungszielen:<br />

„Die Erziehung muß also hemmen, verbieten, unterdrücken und hat dies auch zu allen<br />

Zeiten heftig besorgt ... ein Optimismus für die Erziehung (muß) aufzufinden<br />

21) lehnte Neill wesentliche Elemente <strong>der</strong> Freud'schen Lehre ab, wie die Traum- und<br />

Symboldeutungen und den sexuellen Ursprung des Ödipuskomplexes. Traumdeutung<br />

scheint ihm kaum mehr als ein Wortspiel zu sein: „Seine Traumanalysen waren ein Spiel<br />

für ihn, eine Art Kreuzworträtsel, ehe die Kreuzworträtsel in Mode kamen.“ (Neill 1982:<br />

169 über H. Lane) Er äußerte respektlose und scharfe Kritik (völliger Blödsinn, hirnverbrannte<br />

Analyse) an einzelnen Thesen Freuds (Neill 1982: 251) und betonte stattdessen<br />

die Bedeutung von Umweltereignissen. Kurz vor seinem Tod erklärte er: „Ich bin we<strong>der</strong><br />

Freud-Anhänger noch sonst jemandes Anhänger.“ (Neill 1982: 343)<br />

Ab 1920 (seit A Dominie in Doubt) interessierte er sich aber stärker für die Macht-<br />

Theorien Alfred Adlers, <strong>der</strong> nicht den Sexualtrieb, son<strong>der</strong>n die soziale Orientierung im<br />

Menschen betont, und beklagte 1926, daß Adlers Macht-Theorien zuwenig beachtet werden.<br />

Bis er Mitte <strong>der</strong> 30er Jahre Reich kennenlernte, mischte er Theorieelemente verschiedener<br />

Autoren, gab aber noch lange Zeit auch ziemlich plumpe und wenig überzeugende<br />

sexuell-symbolische Deutungen von Kin<strong>der</strong>problemen (vgl. Neill 1969: 148, 214 ff., 236,<br />

338). In späterer Zeit machte er sich über <strong>der</strong>artige Deutungen lustig und verglich sie mit<br />

Kreuzworträtseln.<br />

Neill (in Croall (Ed. 1983: 98) meinte, daß auch Lane näher zu Adler als zu Freud stand,<br />

obwohl Lane Adler nicht erwähnt. Neills (1982: 207) Behauptung, er selbst sei durch<br />

Adler nicht beeinflusst, ist nicht überzeugend. Neills Konzentration auf Probleme <strong>der</strong><br />

Autorität und seine gelegentliche Argumentation mit Min<strong>der</strong>wertigkeitskomplexen passen<br />

eher zu Adler als zu Freud. Vgl. zu Neill und Adler: Croall (1984: 152), Hemmings<br />

(1972: 121), Schmidt-Herrmann (1987: 51).<br />

420 Neills Kritik an Freud und den Freudianern ist ohne eine (hier nicht beabsichtigte) genaue<br />

Analyse <strong>der</strong> Frühwerke kaum von <strong>der</strong> Reichs zu trennen (vgl. zum folgenden<br />

Schmidt-Herrmann 1987: 50 - 59).<br />

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