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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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nicht verlassen wollten. Diese H<strong>aus</strong>mütter waren erheblich wichtiger als das<br />

Lehrpersonal. Noch war alles sehr informell, es gab auch noch keine Stundenpläne<br />

für das Personal. Da das älteste Kind erst 12 war, war es in Lyme<br />

anfangs schwer für die Erwachsenen, nicht zu bestimmen.<br />

Neill verstand sich inzwischen als Kin<strong>der</strong>psychologe und nicht mehr als<br />

Pädagoge. Die Schule hatte - <strong>der</strong> Spezialisierung gemäß - viele Problemkin<strong>der</strong>:<br />

Diebe, Lügner, Bettnässer, Kin<strong>der</strong> mit Wutanfällen und solche, die in<br />

Phantasiewelten lebten o<strong>der</strong> an extremer Eifersucht auf Geschwister litten.<br />

Viele waren von ihren Eltern mißbraucht und mißachtet worden 365 . Viele<br />

kamen auch von den Public-Schools mit ihrer betont harten Erziehung 366 .<br />

Olive Lane, ein verwaistes Kin<strong>der</strong>gartenkind des Little Commonwealth, das<br />

Lane 1914 adoptiert hatte, wurde nach Homer Lanes Tod informell von Neill<br />

und Ada Lilian Neustätter adoptiert und lebte jahrelang kostenlos in Summerhill.<br />

Neills Ziel war eine Umgebung, die es Kin<strong>der</strong>n erlaubte und sie dazu ermutigte,<br />

ihre Phantasien bewußtzumachen und zu äußern, ihre Aggressionen<br />

<strong>aus</strong>zuagieren und über ihre Ängste zu sprechen, und sich so von ihren emotionalen<br />

Problemen zu befreien. Neill argumentierte, daß die freie Atmosphäre<br />

die Hauptbedingung für die Heilung in Summerhill sei. Beobachter dagegen<br />

betonten meist, daß seine Person und Persönlichkeit einen starken Einfluss<br />

habe.<br />

Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, wo er ziemlich unbekannt<br />

geblieben war, war Neill in England ein recht bekannter 367 Mann.<br />

Die 3 Jahre in Lyme Regis verän<strong>der</strong>ten Neills Bild in <strong>der</strong> Öffentlichkeit:<br />

<strong>aus</strong> dem humorvollen pfeiferauchenden Schulmeister wurde ein ernsthafter<br />

und eifriger Bekehrer o<strong>der</strong> nach Meinung seiner Gegner: ein gefährlicher<br />

Kin<strong>der</strong>verführer.<br />

365 Zum Beispiel schil<strong>der</strong>te Neill in einem Brief an B. Russell einen soeben nach Summerhill<br />

gekommenen inkontinenten Jungen, den seine Mutter zu kurieren versucht hatte, indem<br />

sie ihn zwang, seine eigene Scheiße zu essen. Er wurde von Neill mit Belohnung in 2<br />

Wochen von <strong>der</strong> Inkontinenz befreit (vgl. Croall 1984: 185; Neill-Brief in B. Russell<br />

1973: 287).<br />

366 Noch 1925 schrieb <strong>der</strong> frühere Direktor von Eton in einem Leserbrief: ‚Kin<strong>der</strong> gehen zur<br />

Schule mit <strong>der</strong> Überzeugung, daß sie ein Recht hätten, glücklich zu sein. (...) Dies ist eine<br />

Perversion <strong>der</strong> wahren Religion, <strong>der</strong> Selbstverleugnung und des Gehorsams.‘<br />

„Children go to school impressed with a belief that they have a right to be happy, that<br />

God will give them a good time. This is a perversion of the true religion, self-denial and<br />

obedience.“ (Reverend Lyttleton, Ex-Headmaster <strong>der</strong> Eton-School, in einem Leserbrief an<br />

den Evening Standard; zitiert in Croall 1984: 141 f.)<br />

367 Kaum in England, bat die British Sexological Society ihn um einen Vortrag (Sept. 1924).<br />

Die Heretics, eine 1909 gegründete Gruppe (darunter G. B. Shaw, B. Russell, W. H. Rivers,<br />

Maynard Keynes) baten ihn ebenfalls um einen Vortrag, ebenso wurde er von Sir<br />

Cyril Burt zu einer Radio-Diskussion eingeladen. Neill nahm auch teil an einem informellen<br />

Kreis von freudianischen Psychoanalytikern (die durch<strong>aus</strong> geteilter Meinung über<br />

Summerhill waren), tendierte inzwischen aber stärker zu den Macht-Theorien Alfred<br />

Adlers.<br />

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