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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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ne ihren Rat einholen. Auch die Erzieher in den einzelnen Wohnobjekten beschränken<br />

sich darauf, so lange als möglich eine ‚Authority in being‘ zu sein.“ (Wagner<br />

1957: 198)<br />

Das erinnert eher an das Präfektensystem englischer Public Schools und traditioneller<br />

deutscher Fürsten- und Landesschulen als an demokratische Praktiken.<br />

Ein wirklicher Einfluß <strong>der</strong> Jungen auf das Geschehen in Boys Town erscheint<br />

durch<strong>aus</strong> zweifelhaft. Es geht um Selbsttätigkeit, aber nicht um<br />

Selbstbestimmung.<br />

Die starke Betonung <strong>der</strong> Kontrolle, Überwachung, Aufsicht, die unbemerkte<br />

unaufdringliche subtile Lenkung, Führung, Charakterformung <strong>aus</strong> dem<br />

Hintergrund, die Bezeichnung <strong>der</strong> Selbständigkeit als Illusion haben mit demokratischer<br />

Selbstregierung <strong>nichts</strong> gemein und erinnern bestenfalls an funktionslose<br />

demokratische Institutionen wie SMV, und schlechtestenfalls an F.<br />

W. Foersters Fernsteuerungs-Verfahren.<br />

Fast alle interessanten Fragen bleiben offen: Kann nach <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Gemeindeordnung in einer Ortschaft eine <strong>aus</strong> nicht geschäftsfähigen Jugendlichen<br />

gebildete Stadtgemeinde existieren? Wodurch wird dies möglich? Sind<br />

nicht doch irgendwie irgendwelche Erwachsenen auch formal an <strong>der</strong> Stadtverwaltung<br />

beteiligt? Wie? Woran? ... <strong>Wer</strong> machte welche Vorschriften? Was<br />

schreiben sie vor?<br />

21.2.3. Strafen<br />

„Verletzungen <strong>der</strong> städtischen Verordnungen und Gesetze wurden vom Bürgermeister<br />

bestraft, dem bei den Gerichtssitzungen die Kommissare und Stadträte zur Seite standen.<br />

Mit seltenen Ausnahmen von schweren Unruhen, die persönlich von Pater<br />

Flanagan o<strong>der</strong> seinem Stab behandelt werden mußten, kamen alle Zuwi<strong>der</strong>handlungen<br />

gegen die Vorschriften o<strong>der</strong> Störungen des Gemeinschaftslebens im Bezirk des Heims<br />

vor den Jungengerichtshof.“ (Oursler 1951: 250)<br />

Flanagan hatte alle körperlichen Strafen streng verboten 566 :<br />

566 Körperstrafen sind eine entwürdigende Strafe und vertragen sich nicht mit einer auf<br />

Selbstachtung aufbauenden Erziehung. Sie waren nicht nur in allen <strong>Kin<strong>der</strong>republiken</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n auch in etlichen an<strong>der</strong>en Einrichtungen verboten, manchmal schon seit Jahrhun<strong>der</strong>ten.<br />

Interessant ist die unterschiedliche Darstellung des Verbots z. B. bei Neill und<br />

Flanagan: Neill sieht Körperstrafe als gemeines Verbrechen, über das er nur mit Abscheu<br />

berichtet. Beschreibungen des Körperstrafe-Verbotes von Boys Town dagegen berichten<br />

eher mit staunen<strong>der</strong> Bewun<strong>der</strong>ung von <strong>der</strong> schwer vorstellbaren Merkwürdigkeit, daß <strong>der</strong><br />

Pater in seiner unermeßlichen Güte sogar auf die Ausübung seines (selbstverständlichen<br />

und völlig unangezweifelten) Züchtigungsrechtes freiwillig verzichtet!<br />

Diese unterschiedlichen Sichtweisen offenbaren (bei gleichem beobachtbaren Verhalten)<br />

eine ganz unterschiedliche Haltung zu den Rechten von Kin<strong>der</strong>n und Erwachsenen.<br />

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