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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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ökonomisch weitgehend selbständigen Jugendkommune und die international<br />

bekannteste Arbeitskommune überhaupt war.<br />

„Über einen 1929 - im Anschluß an einen Moskauer Aufenthalt - erfolgten Besuch<br />

<strong>der</strong> Dzerzinskij-Kommunarden in Bolsevo hatte Makarenko Ende 1930 noch voller<br />

Begeisterung geschrieben, seine Zöglinge hätten dort beim ‚älteren Bru<strong>der</strong>‘ ihrer<br />

Kommune ‚eine wirkliche Produktion, einen richtigen industriellen Reichtum‘ vorgefunden.“<br />

(Hillig 1980: 131)<br />

Zwei Jahre später (1932) veröffentlichte er das Buch Der Marsch des Jahres<br />

dreißig dann ohne diese Passagen, und bestritt an an<strong>der</strong>er Stelle (Versuch einer<br />

Methodik für die Arbeit in einer Kin<strong>der</strong>arbeitskolonie) jedes Vorbild für<br />

seine Kolonie, bevor er sich 1935, als Bolschewo zum zehnjährigen Bestehen<br />

hoch gelobt wurde, wie<strong>der</strong> zu diesem Vorbild bekannte. Die Makarenko-<br />

Rezeption folgt allgemein dem Verschweigen.<br />

„Angesichts <strong>der</strong> inzwischen erfolgten totalen ‚Fabrikisierung‘ <strong>der</strong> Dzerzinskij-<br />

Kommune und <strong>der</strong> damit verbundenen Beschneidung seiner Leiterfunktion muß Makarenko<br />

nun wohl daran gelegen gewesen sein, Bolsevo als Vorbild für die Char'kover<br />

Kommune zu verschweigen und statt dessen die eigene Leistung hervorzuheben.“<br />

(Hillig 1980: 131)<br />

Bolschewo wurde von Wilhelm Reich (1971: 223 - 226) und Otto F. Fenichel<br />

(1931) beschrieben, wobei allerdings nicht alle Einzelheiten glaubhaft erscheinen<br />

501 .<br />

Die 1924 mit 15 Insassen als erste Arbeitskolonie <strong>der</strong> GPU überhaupt gegründete<br />

offene Arbeitskolonie Bolschewo lag ca. 25 km nördlich von Moskau<br />

und umfasste im Sommer 1930 bereits 1100 junge Kriminelle,<br />

bzw. die Jugendarbeitskommunen zuständig. Ihr Grün<strong>der</strong> und Leiter war Felix E. Dzierzynski,<br />

nach dem die Dzierzynski-Kommune benannt war.<br />

Die 1881 geschaffene politische Geheimpolizei Ochranka (russ. Ochrana = Schutz) des<br />

Zarenreiches wurde 1917 in Rußland ersetzt durch die von den Bolschewisten geschaffene<br />

politische Polizei Tscheka (VCK, kurz Ceka, d.h. Tschreswytschajnaja Komissija,<br />

Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung <strong>der</strong> Konterrevolution, <strong>der</strong> Sabotage und<br />

<strong>der</strong> Spekulation) und 1922 (Gründung <strong>der</strong> UdSSR) umorganisiert als politische<br />

(Geheim-) Polizei in <strong>der</strong> (Gesamt-) UdSSR GPU (Gossudarstwennoje Politischeskoje<br />

Uprawlenije, Staatliche Politische Verwaltung) und hieß bald (ab 1923?) OGPU. Sie<br />

diente dem <strong>Kamp</strong>f gegen Konterrevolution und Sabotage, wurde 1934 umgebildet zum<br />

NKWD (Narodnyi Kommissariat Wnutrennych Djel, Volkskommissariat des Innern <strong>der</strong><br />

UdSSR) und 1953 zusammengeschlossen mit dem seit 1944 in <strong>der</strong> UdSSR bestehenden<br />

Innenministerium MWD (Ministerstwo Wnutrennych Djel, Innenministerium). Vgl.<br />

Hillig u. Weitz (1971: 58, Anm.) und das Her<strong>der</strong> Lexikon Politik.<br />

501 Die hier wie<strong>der</strong>gegebenen Beschreibungen sind teilweise sehr naiv-idealisierend. So ist<br />

<strong>der</strong> Bericht über eine wirkliche Arbeiter-Selbstverwaltung in <strong>der</strong> Sowjetunion unter Stalin<br />

in den <strong>der</strong> 30er Jahren nur schwer zu glauben, und das macht auch den Rest des Berichtes<br />

zweifelhaft. Doch da dies anscheinend die einzig verfügbaren Berichte darüber<br />

sind, muß man auf sie zurückgreifen. Sie zeigen - wenn schon nicht ganz die Realität - so<br />

doch immerhin das (idealisierte) Selbstverständnis damaliger Pädagogen.<br />

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