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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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mern schliefen, übertrieben abwehrend damit, Summerhill sei eine Schule,<br />

kein Bordell (vgl. Croall 1984: 223). Er scheint (vielleicht infolge <strong>der</strong><br />

Schwangerschaft) später pragmatisch eine etwas striktere Haltung eingenommen<br />

zu haben und erließ ein nicht näher erläutertes Verbot 416 .<br />

Es darf hier nicht vergessen werden, daß auch Schüler aller an<strong>der</strong>er Schulen<br />

sich - allerdings heimlich - ebenfalls sexuell betätigen:<br />

„Natürlich ist Summerhill die Schule, die am häufigsten mit sexueller Freizügigkeit in<br />

Verbindung gebracht wird, doch in Wirklichkeit ist sie sehr viel ‚moralischer‘ als Bedales<br />

wie auch Dartington Hall.“ (Skidelsky 1975: 44)<br />

Auch das Fluchen galt Neill als Zeichen sexueller Unterdrückung. Als ihm die<br />

Flucherei zu arg wurde, versuchte er, die sexuelle Unterdrückung mit Hilfe<br />

eines Schulkurses über Obszönität zu verringern, in dem die Kin<strong>der</strong> zunächst<br />

alle unanständigen Worte sammeln und notieren sollten. Dann schlugen die<br />

Kin<strong>der</strong> unanständiges Zeichnen vor, danach verloren sie rasch<br />

416 „In Summerhill ist die Sexfrage immer eine nervenaufreibende Sache gewesen. Ich befürworte<br />

schon seit vielen Jahren ein Sexualleben für Heranwachsende, für alle Paare, die<br />

weit genug dafür sind, aber ich mußte in <strong>der</strong> Schule ein Verbot<br />

403<br />

* erlassen, weil selbst<br />

Summerhill sich vom Establishment mit seiner viktorianischen Moralanschauung nicht<br />

ganz befreien kann. Ich konnte <strong>nichts</strong> an<strong>der</strong>es tun, als den Kin<strong>der</strong>n offen meine Einstellung<br />

klarzumachen, und sie erkannten auch, daß ich keinen moralischen Standpunkt vertrat.“<br />

... „Das äußerste, was wir in Summerhill tun konnten, war, Selbstbefriedigung als<br />

natürlichen Vorgang darzustellen und so die Schuldgefühle bei ängstlichen Kin<strong>der</strong>n zu<br />

min<strong>der</strong>n.“ (Neill 1982: 272 f.)<br />

* Deutsch im Original.<br />

„Dazu ein Beispiel. Zwei Jugendliche im Alter von fünfzehn verliebten sich ineinan<strong>der</strong>.<br />

Sie kamen zu mir und fragten, ob sie ein Schlafzimmer für sich haben könnten. Ich sagte:<br />

‚Ich würde euch gern eines geben, aber ich wage es nicht.‘<br />

‚Warum nicht? Dies ist eine freie Schule.‘<br />

‚Ja, aber wir sind nicht eine freie Gesellschaft. Nehmt einmal an, ich gäbe euch eines und<br />

das Erziehungsministerium hörte davon. Sie würden meine Schule schließen.‘<br />

Ich sagte zu dem Mädchen: ‚Du weißt, daß deine Mutter vor dem Sexuellen Angst hat.<br />

Angenommen, du würdest schwanger? Was für ein Aufsehen würde das machen. Außerdem‘,<br />

sagte ich, ‚kannst du dir keine Verhütungsmittel leisten, und ich getraue mir nicht,<br />

dir welche zu geben.‘“ (Neill 1971b: 23)<br />

Die Art und Reichweite des Verbots bleibt unklar. Nach Segefjord (1971: 100) gab es<br />

1966 kein Gesetz zur sexuellen Freiheit. Seinem nachfolgenden Bericht nach kann das<br />

Verbot nicht allzu streng gewesen sein:<br />

Ein neues 15jähriges Mädchen hatte nach <strong>der</strong> Bettgehzeit einen Jungen <strong>aus</strong> dem Internationalen<br />

Club mit auf ihr Zimmer genommen. Dies hätte zu dieser Zeit (1966) in vielen<br />

an<strong>der</strong>en Schulen große Aufregung und möglicherweise den Schulverweis bedeutet. Eine<br />

außerordentliche Versammlung von nur 15 Minuten Dauer beschloß eine strenge Verwarnung,<br />

und Neill betonte, daß es um <strong>nichts</strong> Moralisches ginge (es gab keine Debatte<br />

über Geschlechtsverkehr), son<strong>der</strong>n (neben dem Überschreiten <strong>der</strong> Bettgehzeit) darum,<br />

daß Besucher so nicht mitgebracht werden dürfen: „Du mußt nur wissen, daß alle hier in<br />

<strong>der</strong> Schule wissen wollen, wer hier Besucher ist und wer hierhergehört. Das ist eine verständliche<br />

For<strong>der</strong>ung, da ja alle hier wohnen wollen. Wir müssen wissen, wer hierherkommt<br />

- auch nach Einbruch <strong>der</strong> Dunkelheit.“ (Neill in Segefjord 1971: 111 f., hier 112)

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