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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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chen selbst, und die Heimleitung schützt mit <strong>der</strong> für sie charakteristischen<br />

Perversität (Wills) den Übeltäter. Beson<strong>der</strong>s die ihre Kameraden übel terrorisierenden<br />

Jugendlichen (bullies) müssen vor <strong>der</strong> berechtigten (!) überstarken<br />

und nur allzu wirksamen öffentlichen Meinung <strong>der</strong> geschundenen Kameraden,<br />

vor psychischen Schäden und unangemessenen Strafen geschützt92 werden.<br />

Gerichtsurteile drücken die öffentliche Meinung, das Urteil <strong>der</strong> Kameraden<br />

<strong>aus</strong>. Daher wirken sie viel stärker, als es eine Moralpredigt o<strong>der</strong> eine<br />

Strafe eines erwachsenen Anstaltsdirektors könnte, <strong>der</strong> ja doch nur jene von<br />

den Jugendlichen unakzeptierten seltsamen Erwachsenenansichten vertritt.<br />

Wo die eigenen Kameraden eine Handlungsweise als gemein erklären, drückt<br />

dies eine wirklich bedeutsame Meinung <strong>aus</strong>. Der öffentlichen Meinung <strong>der</strong><br />

eigenen Gruppe gegenüber erweisen sich Jugendliche als sehr loyal (dies wird<br />

ganz allgemein immer wie<strong>der</strong> betont).<br />

Täter, die auf diese Methoden nicht reagieren und die offenbar unter innerem<br />

Zwang handeln, sind den Jugendlichen oft unheimlich, so daß sie meist93 gerne als Patienten den Erwachsenen zur weiteren Behandlung überlassen<br />

werden. Denn (Wills 1945: 54): Nur glückliche (d. h. gesunde) Menschen<br />

können selbständig auf sich achten und sich mit an<strong>der</strong>en Menschen vereinigen,<br />

und die Patienten sind offenbar unglücklich.<br />

Die Hauptfunktion des Gerichts war <strong>der</strong> Ausdruck <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Meinung, so wie die Hauptfunktion <strong>der</strong> gesetzgebenden Vollversammlung<br />

und ihrer Gesetze <strong>der</strong> Ausdruck <strong>der</strong> öffentlichen Meinung war.<br />

Die öffentliche Meinung sollte die Ordnung aufrechterhalten, nicht Zwang<br />

und Strafe sollten dies tun. Die Verurteilung des Verhaltens durch die<br />

Kameraden erwies sich als wichtiger und wirksamer als Strafe. Bei <strong>der</strong><br />

Verletzung von Regeln und Rechten sollte das Gericht (Wills 1945: 45 - 49):<br />

– die sachliche Verhandlung und Entscheidung über Vorwürfe und <strong>der</strong>en Berechtigung<br />

überhaupt erst möglich machen;<br />

– Tatbestände, Motive, Umstände, Schäden und Schädiger ermitteln;<br />

– dazu die öffentliche Meinung, die allgemeine Mißbilligung des Regelbruchs<br />

deutlich und öffentlich <strong>aus</strong>drücken;<br />

– die Geltung <strong>der</strong> Regel wie<strong>der</strong>herstellen und erneut bekräftigen;<br />

92 Wohlgemerkt: gegen die Tyrannen soll entschieden vorgegangen werden, sie sollen verurteilt<br />

und ggf. auch bestraft werden. Die Erzieher müssen aber Sorge tragen, daß nicht in<br />

berechtigter (!) Empörung allzuscharfe Maßnahmen ergriffen werden.<br />

93 Allerdings berichtete Neill auch von entrüsteten Reaktionen und Favoritismus-<br />

Vorwürfen, wenn er einen unter Zwang handelnden Jugendlichen <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>der</strong><br />

Vollversammlung und damit seiner gerechten Strafe entzog.<br />

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